Diamantene Kutsche
wohldurchdachte Schema nichts wert!
Er runzelte die Stirn und stellte die logische Kette wieder her.
»Natürlich! Mich wollten Sie später beseitigen, erst sollte ich Ihnen Onokojis letzte Worte verraten.«
»Aber nein!« rief Tsurumaki beleidigt. »Ich habe alles aufs beste arrangiert. Bullcocks hat mir sein Wort gegeben, und er hat es gehalten,denn er ist ein Gentleman. Er hat seinem Stolz und seiner Eitelkeit genüge getan, indem er Sie vor Zuschauern demütigte, aber er hat Sie nicht verstümmelt und nicht getötet.«
»Das heißt … Das heißt, der Anfall war inszeniert?«
»Was dachten Sie denn? Daß ihn ein himmlischer Blitz niedergestreckt hätte? Bullcocks ist ein ehrgeiziger Mann. Einen Mordskandal kann er nicht gebrauchen. Und so hat er seine Ehre gerettet und seiner Karriere nicht geschadet.«
Also brach das schöne Schema doch zusammen. Niemand hatte Fandorin töten wollen, nicht sein Glücksstern hatte ihn davor bewahrt!
Diese Neuigkeit machte auf ihn ziemlichen Eindruck, trotzdem ließ er sich nicht aus dem Konzept bringen.
»Aber woher wußten Sie, daß ich und meine Freunde gefährliche Beweisstücke gegen Sie besaßen?«
»Von Tamba.«
»Von w-wem?«
»Von Tamba«, erklärte Tsurumaki ungerührt. »Dem Kopf des Momoti-Clans.«
Fandorin verstand überhaupt nichts mehr.
»Sie sprechen von dem Ninja? Moment mal, soweit ich weiß, lebte Momoti Tamba vor dreihundert Jahren!«
»Der jetzige ist sein Nachkomme. Tamba der Elfte. Aber fragen Sie mich nicht, woher er von Ihrem Plan erfahren hat – das weiß ich nicht, Tamba gibt seine Geheimnisse nie preis.«
»Wie sieht dieser Mann aus?« fragte Fandorin, der ein Zittern nicht unterdrücken konnte.
»Schwer zu beschreiben, er wechselt sein Aussehen. Eigentlich ist er ziemlich klein, keine fünf Fuß, aber er kann sich größer machen, dafür haben sie irgendwelche schlauen Vorrichtungen. Er ist alt und schmächtig. Tja, was noch? Ach ja, seine Augen. Er hat ganz besondere Augen, die lassen sich nicht verbergen: Wenn erjemanden ansieht, ist es, als ob er ihn verbrennen wollte. Man schaut ihm besser nicht in die Augen – er verhext einen.«
»Das ist er! Ja, das ist er!« rief Fandorin. »Ich wußte es! Erzählen Sie weiter! Haben Sie schon lange mit den Ninja zu tun?«
Tsurumaki schwieg und sah Fandorin besorgt an.
»Nicht sehr. Ein alter Samurai hat die Verbindung hergestellt, er ist inzwischen tot. Er stand im Dienst der Fürsten Onokoji. Der Momoti-Clan ist ein wertvoller Verbündeter, sie vollbringen wahre Wunder. Aber sich mit ihnen einzulassen ist gefährlich. Man weiß nie, was sie im Sinn haben und was von ihnen zu erwarten ist. Tamba ist der einzige Mensch, vor dem ich Angst habe. Haben Sie die vielen Wachen im Haus gesehen? Früher, Sie erinnern sich, habe ich hier seelenruhig allein übernachtet.«
»Was ist passiert? Hatten Sie nicht genug Geld, um sie zu bezahlen?« spottete Fandorin mit einem Blick auf den Safe voller Goldbarren.
»Lächerlich«, entgegnete Tsurumaki düster. »Nein, ich habe immer ordentlich gezahlt. Ich weiß nicht, was geschehen ist, und das macht mir am meisten Sorgen. Tamba spielt irgendein eigenes Spiel, mit eigenen Absichten, die ich nicht kenne. Und dieses Spiel hat auf merkwürdige Weise mit Ihnen zu tun.«
»Was? Wie denn?«
»Ich weiß es nicht!« rief Tsurumaki gereizt. »Sie wollen irgendwas von Ihnen! Würden Sie sonst Ihre Geliebte entführen? Darum übergebe ich Sie nicht der Polizei. Sie sind der Schlüssel zu diesem Geheimnis. Wie ich Sie benutzen muß, um es aufzuschließen, weiß ich noch nicht. Und auch Sie wissen es nicht. Oder?«
Die Miene des Vizekonsuls war beredter als jede Antwort, und der Anhänger des Chaos nickte.
»Ich sehe, Sie geben mir recht. Hier haben Sie meine Hand, Fandorin. Bei euch Europäern bekräftigt man Verträge doch mit einem Handschlag, oder?«
Die kurzfingrige Hand des Millionärs hing in der Luft.
»Was für ein V-vertrag?«
»Ein Bündnis. Wir beide gegen Tamba. Die Ninja haben O-Yumi entführt und Ihre Freunde getötet. Sie haben sie getötet, nicht ich. Wir werden ihnen einen Präventivschlag versetzen. Angriff ist die beste Verteidigung. Na los, geben Sie mir die Hand! Wir müssen einander vertrauen!«
Doch der Vizekonsul rührte sich nicht.
»Wie kann ich Ihnen vertrauen, wenn Sie bewaffnet sind, und ich nicht?«
»Mein Gott! Nehmen Sie Ihr Spielzeug ruhig, ich brauche es nicht.«
Erst nachdem Fandorin seine Herstal aufgehoben hatte,
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