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Diamantene Kutsche

Diamantene Kutsche

Titel: Diamantene Kutsche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Akunin
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das war die Wahrheit!
    »Ist es etwa ehrenhafter, diesem Mörder zu dienen?« führte Fandorin mit einem Kopfnicken zu Tsurumaki sein letztes Argument ins Feld.
    »Herr Tsurumaki ist ein aufrechter Mann. Er handelt zum Wohle meiner Heimat. Außerdem ist er ein starker Mann. Wenn die oberste Macht und das Gesetz den Interessen des Vaterlandes schaden, löst er die Macht ab und korrigiert die Gesetze. Ich habe beschlossen, ihn zu unterstützen. Ich habe nicht auf dem Hügel gesessen, ich bin gleich zu Herrn Tsurumaki gegangen und habe ihm von Ihrem Plan erzählt. Sie hätten Japan Schaden zufügen können, und das habe ich verhindert.«
    Je länger Shirota sprach, desto sicherer wurde seine Stimme, desto blanker wurden seine Augen. Der stille Schreiber hatte den ach so klugen Fandorin hereingelegt und wagte es noch, darauf stolz zu sein. Fandorin, auf ganzer Linie geschlagen, auch moralisch, verspürte plötzlich den boshaften Wunsch, dem Triumph des Kämpfers für die »Aufrichtigkeit« wenigstens einen kleinen Dämpfer zu versetzen.
    »Ich dachte, Sie lieben Sofja Diogenowna. Aber Sie haben sie verraten. Sie werden sie nicht wiedersehen.«
    Gleich darauf schämte er sich für seine Worte. Das war unwürdig.
    Aber Shirota war keineswegs verlegen.
    »Ganz im Gegenteil. Ich habe Sofja heute einen Heiratsantrag gemacht, und sie hat angenommen. Ich habe ihr gesagt, wenn siemich heiratet, muß sie Japanerin werden. Sie antwortete: ›Für dich werde ich auch Papua!‹« Der neuerworbene Feind des Russischen Reiches lächelte strahlend. »Ich finde es bitter, daß wir uns so trennen. Ich empfinde tiefe Achtung für Sie. Aber Ihnen wird nichts Schlimmes geschehen, das hat mir Herr Tsurumaki versprochen. Er hat absichtlich Gold in den Safe gelegt anstelle der Dokumente, die ein Staatsgeheimnis darstellen. Deshalb wird man Sie nicht wegen Spionage anklagen. Und Herr Tsurumaki verzichtet darauf, Sie wegen versuchten Raubes vor Gericht zu bringen. Sie bleiben am Leben und kommen nicht ins Gefängnis. Sie werden lediglich aus Japan ausgewiesen. Hierbleiben können Sie nicht, Sie sind zu aktiv und zudem erbittert wegen Ihrer getöteten Freunde.«
    Er drehte sich zu Tsurumaki um und bedeutete ihm mit einer Verbeugung, daß das Gespräch auf Russisch beendet sei.
    Tsurumaki setzte auf Englisch hinzu: »Shirota-san ist ein echter Japaner. Ein Mann der Ehre, der weiß, daß die Pflicht gegenüber der Heimat über allem steht. Gehen Sie, mein Freund. Sie sollten nicht hier sein, wenn die Polizei kommt.«
    Shirota verbeugte sich tief vor seinem neuen Herrn, nickte Fandorin zu und ging hinaus.
    Der Vizekonsul wurde noch immer festgehalten, und das konnte nur eines bedeuten.
    »Die P-polizei wird natürlich zu spät kommen«, sagte Fandorin zu dem Hausherrn. »Der Dieb wird bei dem Versuch, zu fliehen oder Widerstand zu leisten, getötet. Darum haben Sie den hochherzigen Shirota fortgeschickt. Ich bin zu aktiv, ich muß nicht nur aus Japan verschwinden. Ich darf nicht am Leben bleiben, richtig?«
    Das Lächeln, mit dem Tsurumaki diese Worte anhörte, war voll heiterer Verwunderung, als habe der Millionär eine derart subtile, geistreiche Bemerkung von seinem Gefangenen nicht erwartet.
    Tsurumaki drehte die Herstal in seiner Hand und fragte: »Ein Selbstlader? Und ohne Hahn?«
    »Ja. Sie drücken einfach den Abzug, und alle sieben Kugeln kommen nacheinander herausgeflogen. Nein, nur noch sechs, eine habe ich schon verschossen«, antwortete Fandorin, innerlich stolz auf seine Kaltblütigkeit.
    Tsurumaki wog den kleinen Revolver in der Hand, und der Vizekonsul sagte sich gefaßt: Gleich wird es sehr weh tun, dann wird der Schmerz nachlassen, und dann ist er ganz vorbei …
    Doch die Herstal fiel zu Boden. Fandorin wunderte sich nur im ersten Augenblick darüber. Dann bemerkte er die Beule in Tsurumakis Schlafrocktasche. Natürlich: Es wäre schließlich seltsam, würde der Räuber mit seinem eigenen Revolver erschossen.
    Wie zur Bestätigung glitt Tsurumakis Hand in die bewußte Tasche. Die Sache näherte sich dem Ende.
    Plötzlich fuhr Kamata, der kein Auge von Fandorin ließ, auf und wandte das knochige, zerfurchte Gesicht zur Tür.
    Von draußen drangen Schreie und Poltern herein.
    Polizei? Aber wieso der Lärm?
    Ein weiterer Diener kam ins Zimmer gerannt. Er verbeugte sich vor seinem Herrn und Kamata und plapperte aufgeregt drauflos.
    »Tsurete koi« 1 , befahl Tsurumaki, die Hand noch immer in der Tasche.
    Der Diener lief hinaus, und

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