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Diamantene Kutsche

Diamantene Kutsche

Titel: Diamantene Kutsche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Akunin
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glaubte er endgültig, daß dies keine raffinierte Falle war, um ihm Informationen zu entlocken.
    »Was für ein Präventivschlag?« fragte er vorsichtig.
    »Tamba glaubt, ich wüßte nicht, wo er zu finden ist. Aber er irrt. Meine Leute sind zwar keine Ninja, aber einiges können sie auch. Ich habe in Erfahrung gebracht, wo sich die Höhle des Momoti-Clans befindet.«
    Fandorin sprang aus seinem Sessel.
    »Warum verlieren wir dann noch Zeit? Wir müssen hin, schnell!«
    »Das ist nicht so einfach. Die Höhle liegt versteckt in den Bergen. Meine Kundschafter wissen, wo, aber dorthin vorzudringen ist schwierig …«
    »Ist es weit von Yokohama?«
    »Nicht sehr. An der Grenze der Provinzen Sagami und Kai, in der Nähe des Bergs Oyama. Von dort sind es zwei Tagesreisen – wenn man mit Gepäck unterwegs ist.«
    »Wozu brauchen wir G-gepäck? Wir reisen ohne und sind morgen da!«
    Aber Tsurumaki schüttelte den Kopf.
    »Nein, Gepäck ist unerläßlich, ziemlich schweres sogar. Sie werden selbst sehen. Das ist eine richtige Festung.«
    Fandorin war erstaunt.
    »Eine F-festung? Die Ninja haben in der Nähe der Hauptstadt eine Festung errichtet, und niemand weiß davon?«
    »So ist unser Land nun mal. Die Ebenen entlang der Küste sind dicht besiedelt, ein Stück dahinter aber liegen unwirtliche, menschenleere Berge. Zudem ist Tambas Festung so beschaffen, daß ein zufälliger Wanderer sie nicht entdecken würde.«
    Fandorin hatte die ständigen Rätsel satt.
    »Sie haben viele treue Männer, Ihre Schwarzjacken. Ein Befehl von Ihnen, und sie sind bereit zum Sturm, ja sogar zum T-tod, daran zweifle ich keinen Augenblick. Warum also brauchen Sie mich? Sagen Sie mir die Wahrheit, sonst gibt es zwischen uns kein Bündnis!«
    »Ja, ich werde Kamata mit einem Trupp meiner besten Kämpfer hinschicken, alles Kampfgefährten noch aus dem Bürgerkrieg, ich kann mich auf jeden einzelnen verlassen. Aber ich selbst kann nicht mit ihnen gehen – ich habe in zwei Präfekturen Wahlen, das ist jetzt das Wichtigste. Kamata ist ein erfahrener Kommandeur, ein ausgezeichneter Kämpfer, aber ganz auf bestimmte Regeln fixiert und deshalb in einer außergewöhnlichen Situation kaum von Nutzen. Doch ich wiederhole es noch einmal – in Tambas geheimes Dorf vorzudringen ist sehr schwierig. Ja, eigentlich unmöglich. Es gibt keinen Zugang.«
    »Wie – keinen Zugang?«
    »Es gibt eben keinen. So haben es mir meine Kundschafter berichtet, und sie neigen nicht zum Phantasieren. Ich brauche Ihr Gehirn, Fandorin. Und Ihr Glück. Sie können sicher sein: O-Yumi ist dort, in der Festung. Allein, ohne mich, werden Sie nichts ausrichten. Sie brauchen mich. Aber auch Sie können mir nützen. Also, was ist, muß ich meine Hand noch lange in der Luft halten?«Nach einem sekundenlangen Zögern schlug Fandorin endlich ein. Zwei starke Hände trafen sich und drückten einander so fest, daß die Finger ganz weiß wurden.
     
    So töricht es ist,
    Dies Ritual stirbt nie aus:
    Zweier Hände Druck.

Der tote Baum
    Europa endete nach einer halben Wegstunde.
    Die Spitzen und Türmchen des anglisierten Bluff wurden zunächst von Fabrikschornsteinen und den Lastkränen im Flußhafen abgelöst, dann von Blech- und Schindeldächern, schließlich von strohgedeckten Bauernhütten, und nach einer Meile gab es überhaupt keine Gebäude mehr – nur noch einen Weg, der sich zwischen Reisfeldern hinzog, Bambushaine und eine Wand aus nicht sehr hohen Bergen, die die Ebene von allen Seiten umschloß.
    Die Expedition war bereits vor Morgengrauen aufgebrochen, um keine unnötige Aufmerksamkeit zu erregen. An der Karawane war nichts Verdächtiges. Äußerlich glich sie den zahlreichen Handwerkerartels, die im Reich des Mikado, das sich beeilte, aus dem Mittelalter ins neunzehnte Jahrhundert zu gelangen, herumzogen und Brücken und Straßen bauten.
    Angeführt wurde die Karawane von einem kräftigen Mann mit grobem, faltigem Gesicht. Mit dem aufmerksamen Blick eines Räubers, der sich im übrigen kaum unterschied von dem eines Baumeisters oder Aufsehers, spähte er um sich. Seine Kleidung – Strohhut, schwarze Jacke, enge Hose – entsprach haargenau der seiner Arbeiter, nur daß der Chef auf einem Maultier saß, während seine zweiunddreißig Untergebenen zu Fuß gingen. Viele von ihnenführten Maultiere am Zügel, die mit schweren Kisten beladen waren. Selbst der Umstand, daß das Artel von einem Ausländer mit japanischem Diener begleitet wurde, konnte kaum Erstaunen erregen –

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