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Diamantene Kutsche

Diamantene Kutsche

Titel: Diamantene Kutsche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Akunin
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auf der großen Baustelle, zu der das Land der Aufgehenden Sonne geworden war, arbeiteten viele europäische und amerikanische Ingenieure. Wenn Reisende, die ihnen begegneten, oder im flüssigen Schlamm wühlende Reisbauern dem Ausländer dennoch nachsahen, so ausschließlich wegen des eigentümlichen Gefährts, auf dem dieser thronte.
    Fandorin bereute bereits, daß er nicht auf den Konsul gehört und ein Maultier gemietet hatte – diese Tiere seien zwar träge und unscheinbar, aber weit zuverlässiger als die japanischen Pferde. Aber Fandorin wollte nicht unscheinbar daherkommen, wenn er die Geliebte rettete. Ein Maultier mietete er trotzdem, allerdings nicht zum Reiten, sondern für das Gepäck, und vertraute es Masa an.
    Sein Diener trottete hinter ihm, den Unpaarhufer am Zügel gepackt und ihn hin und wieder antreibend mit dem Ruf: »Vowälts, vowälts!« Das Maultier lief auch ohne Kommando, aber Masa hatte seinen Herrn extra um ein geeignetes russisches Wort gebeten und prahlte nun damit vor den Schwarzjacken.
    Bis auf die Wahl des Transportmittels war Fandorin den Ratschlägen des erfahrenen Doronin gefolgt. Sein Gepäck bestand aus einem Moskitonetz (die Mücken in den japanischen Bergen sind die reinsten Vampire); einem Feldbett (um Gottes willen nicht auf Strohmatten schlafen – die Flöhe fressen einen auf); einer Kautschukwanne (bei den Einheimischen sind Hautkrankheiten weit verbreitet, darum auf keinen Fall ein Bad im Gasthaus benutzen); einem aufblasbaren Kissen (bei den Japanern gibt es üblicherweise nur Holzkissen); einem Proviantkorb und einer Menge anderer notwendiger Dinge.
    Die Kommunikation mit dem Anführer Kamata gestaltete sichnicht ohne Schwierigkeiten. Dieser kannte viele englische Wörter, hatte aber keine Ahnung von deren Grammatik, so daß Fandorin ihn ohne seine Übung im Deduzieren kaum verstanden hätte.
    Kamata sagte zum Beispiel: »Hia furomu ibiningu tsu gou, naito hotelu supendo, tsumorou mauntin enta.«
    Zunächst führte Fandorin unter Berücksichtigung der Besonderheiten des japanischen Akzents die Fragmente dieses Kauderwelschs auf ihren ursprünglichen Zustand zurück. Das ergab: »Here from evening to go, night hotel spend, tomorrow mountain enter.« Erst danach klärte sich der Sinn: Von hier laufen wir bis zum Abend, übernachten in einem Hotel, und morgen gehen wir in die Berge.
    Für die Antwort ging er umgekehrt vor: Er zerlegte den englischen Satz in seine Ausgangswörter und sprach sie mit japanischem Akzent aus.
    »Mauntin, hau fa?« fragte der Vizekonsul. »Ninja billeji, hau fa?« 1
    Und Kamata verstand. Er überlegte und kratzte sich das Kinn.
    »Smuju ileben ri. Mauntin faibu ri.«
    Also: Durchs Tal elf Ri (rund vierzig Werst), dann fünf Ri über die Berge, entschlüsselte Fandorin. Mit einiger Mühe verständigten sie sich jedenfalls, und gegen Mittag hatten sie sich so aneinander gewöhnt, daß sie auch über relativ komplizierte Dinge sprechen konnten. Zum Beispiel über die parlamentarische Demokratie, die Kamata sehr schätzte. In Japan war gerade ein Gesetz über die örtliche Selbstverwaltung angenommen worden, überall wurden Präfektur-Vertretungen, Bürgermeister und Dorfälteste gewählt, und die Schwarzjacken beteiligten sich lebhaft daran, indem sie die einen Kandidaten beschützten, andere dagegen, wie sich der Anhänger des Parlamentarismus ausdrückte, »smolu furaiten«, also»ein wenig einschüchterten«. Diese Wahlen waren für Japan etwas Neues, ja Revolutionäres. Tsurumaki begriff als einer der ersten einflußreichen Politiker die Bedeutung der kleinen Provinzregierungen, die man in der Hauptstadt ironisch als nutzlose Dekoration betrachtete.
    »Ten yis, Toke nashingu«, prophezeite Kamata, im Sattel schaukelnd. »Provinsu rialu pawa. Tsurumaki-dono rialu pawa. Nippon nou Toke, Nippon Provinsu.« 2
    Fandorin aber dachte: Provinz hin und her, aber bis dahin hat Tsurumaki auch die Hauptstadt in der Hand. Das wird ein schöner Triumph der Demokratie!
    Der Kommandeur der Schwarzjacken erwies sich als ziemlich geschwätzig. Während sie das Tal durchquerten, das beiderseits immer dichter von Bergen bedrängt wurde, erzählte er von den herrlichen Tagen, als er mit Don Tsurumaki im Kampf um profitable Aufträge die Konkurrenten vernichtet hatte, und die noch lustigeren Zeiten danach – die der politischen Wirren, als sie sich »fulu beri«, (sprich: nach Herzenslust) gerauft und bereichert hatten.
    Der alte Räuber war sichtlich im siebten

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