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Diamantene Kutsche

Diamantene Kutsche

Titel: Diamantene Kutsche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Akunin
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kurz darauf wurde der gefesselte Masa in die Bibliothek geführt.
    Als er Fandorin erblickte, begann er verzweifelt zu schreien.
    Fandorin verstand nur ein Wort: »O-Yumi-san.«
    »Was sagt er? Was sagt er?« Der Vizekonsul wand sich in den Händen seiner Bewacher.
    Nach der Miene des Hausherrn zu urteilen, war er erschüttert von der Nachricht. Er stellte Masa eine Frage und wirkte auf einmal sehr konzentriert. Er ignorierte Fandorins wiederholte Fragen undrieb sich erbittert den Bart. Masa versuchte die ganze Zeit, sich vor Fandorin zu verbeugen (was mit auf dem Rücken gefesselten Händen nicht so einfach war) und sagte immer wieder: »Mooshiwakearimasen! Mooshiwakearimasen!«
    »Was murmelt er da dauernd?« schrie der Vizekonsul in hilfloser Wut. »Was heißt das?«
    »Das heißt: Für mich gibt es kein Erbarmen!« Tsurumaki sah ihn an. »Ihr Diener erzählt hochinteressante Dinge. Er sagt, er habe am Fenster gesessen und eine Zigarre geraucht. Dann sei ihm heiß gewesen, und er habe das Fenster ein Stück geöffnet. Plötzlich habe er ein Pfeifen gehört, etwas habe ihn in den Hals gestochen, und weiter kann er sich an nichts erinnern. Auf dem Fußboden kam er zu sich. In seinem Hals steckte eine Art Stachel. Er rannte ins Nebenzimmer und entdeckte, daß O-Yumi verschwunden war. Ihr Bett war leer.«
    Fandorin stöhnte auf, und Tsurumaki stellte Masa noch eine Frage. Als er die Antwort gehört hatte, zuckte er mit dem Kinn, und Fandorins Vasall wurde unverzüglich befreit. Er griff unter seine Kleider und holte eine Art Holznadel hervor.
    »Was ist das?« fragte Fandorin. Tsurumaki betrachtete den Stachel düster.
    »Ein Fukibari. Diese Dinger werden mit Gift oder irgendeinem anderen Teufelszeug eingerieben, das lähmt oder betäubt, und aus einem Blasrohr abgeschossen. Eine beliebte Waffe der Ninja. Fandorin-san, Ihre Freundin wurde leider von den Schattenkriegern entführt.«
    In diesem Augenblick wollte Fandorin, der schon vollkommen bereit gewesen war für den Tod, um keinen Preis sterben. Man hätte meinen mögen – was konnte ihn die Welt noch scheren? Wenn man nur noch wenige Sekunden zu leben hat, was kümmern einen da noch ungelöste Rätsel oder selbst die Entführung der Geliebten? Aber sein Wunsch zu leben war so heftig, daß er, alsTsurumakis Hand in der bewußten Tasche zuckte, fest die Zähne zusammenbiß – um nicht um Aufschub zu betteln. Den würde Tsurumaki ihm ohnehin nicht gewähren, und selbst wenn – einen Mörder bat man um nichts.
    Der Vizekonsul zwang sich, auf die Hand zu schauen, die langsam einen schwarzen, glänzenden Gegenstand aus der Tasche zog und schließlich zutage förderte.
    Es war eine Bruyérepfeife.
     
    Seitdem er wußte,
    Was »Bruyére« auf Latein heißt,
    Rauchte er Pfeife.

Der Händedruck
    »Ihr Shirota gefällt mir«, sagte Tsurumaki nachdenklich, riß ein Streichholz an und blies eine Rauchwolke aus. »Ein echter Japaner. Integer, klug und zuverlässig. Einen solchen Assistenten wünsche ich mir schon lange. Die hier (er beschrieb mit der Pfeife einen Kreis um sein schwarzes Heer) sind gut für Prügeleien und andere simple Dinge, die keinerlei Weitsicht erfordern. Shirota ist von anderer, wertvollerer Art. Zudem hat er die Ausländer ausgiebig studiert, besonders die Russen. Das ist sehr wichtig für meine Pläne.«
    Diese plötzliche Lobeshymne auf den ehemaligen Konsulatsschreiber hätte Fandorin jetzt am wenigsten erwartet, darum hörte er Tsurumaki argwöhnisch zu und begriff nicht, worauf dieser hinauswollte.
    Der paffte seine Pfeife und fuhr auf dieselbe gemächliche Weise fort, als denke er laut: »Shirota hat Sie sehr treffend charakterisiert: mutig, unberechenbar und ein Glückspilz. Eine gefährlicheMischung, darum war dieses ganze Theater nötig.« Er nickte zum Safe hinüber, wo das Gold funkelte. »Aber nun sieht die ganze Sache anders aus. Ich brauche Sie. Und zwar hier in Japan. Es wird keine Polizei kommen.«
    Tsurumaki erteilte auf Japanisch eine Anweisung, und Fandorin wurde nicht mehr festgehalten. Die Schwarzjacken ließen ihn los, verbeugten sich vor ihrem Herrn und verließen einer nach dem anderen das Zimmer.
    »Reden wir?« Tsurumaki wies auf zwei Sessel am Fenster. »Sagen Sie Ihrem Diener, er soll sich keine Sorgen machen. Ihnen wird nichts geschehen.«
    Fandorin bedeutete Masa mit einer Geste, daß alles in Ordnung sei, und dieser ging mit einem mißtrauischen Blick auf den Hausherrn widerstrebend hinaus.
    »Sie brauchen mich?

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