Diamantene Kutsche
leicht selbst töten können, aber es war notwendig, daß dies die Satsuma-Samurai taten. Damit der Mord einen verständlichen Sinn bekam und niemand den wahren Auftraggeber dahinter erriet.«
»Don Tsurumaki?«
»Ja. Der Momoti-Clan bekommt seit vielen Jahren Aufträge von ihm. Ein seriöser Mann, der stets pünktlich zahlt. Als der Mann des Auftraggebers berichtete, daß im Spielhaus ›Rakuen‹ ein alter Ausländer sitzt und allen von der Gruppe des krüppelarmigen Ikemura erzählt, mußte dem Schwätzer der Mund verschlossen werden. Das wurde sauber erledigt, doch dann tauchtest du auf. Ikemura und seine Leute mußten sich verstecken. Außerdem erfuhr ich, daß du einen Mann in deinen Dienst gestellt hattest, der mich gesehen hatte und mich wiedererkennen konnte.«
»Woher hast du das erfahren?« fragte Fandorin und wandte sich zum erstenmal, seit sich die Zwischenwand geöffnet hatte, wieder dem Jonin zu.
»Vom Auftraggeber. Und der bekam seine Informationen von Polizeichef Suga.«
An den der brave Asagawa treu seine Berichte geschickt hat, setzte Fandorin in Gedanken hinzu. Die Ereignisse, die so rätselhaft, ja unerklärlich erschienen waren, fügten sich zu einer logischen Kette, und das war so spannend, daß der Vizekonsul sein gebrochenes Herz für eine Weile vergaß.
»Ich hätte deinen Diener töten müssen. Alles wäre glatt gegangen, der Biß der Mamushi hätte mich von dem Zeugen befreit. Doch wieder kamst du dazwischen. Erst hätte ich beinahe den Fehler begangen, dich zu töten. Aber die Schlange war klüger. Sie wollte dich nicht beißen. Natürlich hätte ich dich mühelos selbst töten können, doch das seltsame Verhalten der Mamushi veranlaßte mich, dich näher zu betrachten. Ich sah, daß du etwas Besonderes bist, jemand, um den es schade wäre. Zudem hätte der Tod eines ausländischen Diplomaten unnötig Staub aufgewirbelt. Du hattest mich gesehen – das war schlecht, aber du würdest mich niemals finden. So dachte ich.« Der Alte rauchte seine Pfeife zu Ende und schüttete die Asche heraus. »Und irrte damit wieder, was mir sehr selten passiert. Der Auftraggeber berichtete mir, ich hätte eineSpur hinterlassen. Eine unglaubliche Spur – einen Fingerabdruck, und gleich zweimal. Nach der europäischen Wissenschaft, so erfuhr ich, kann man einen Menschen aufgrund dieser Kleinigkeit überführen. Verblüffend! Ich beauftragte einen meiner Genin, mehr über Fingerabdrücke herauszufinden, das könnte nützlich für uns sein. Ein anderer Genin drang ins Polizeirevier ein und vernichtete die Beweisstücke. Ein guter Shinobi, mein Neffe. Er konnte der Verfolgung nicht entkommen, aber er starb als echter Ninja, ohne den Feinden sein Gesicht zu zeigen.«
Das alles war hochinteressant, aber Fandorin ließ etwas anderes keine Ruhe. Warum breitete der Jonin das alles vor seinem Gefangenen aus, warum hielt er es für nötig, Erklärungen abzugeben? Ein Rätsel!
»Inzwischen befaßte sich Midori bereits mit dir«, fuhr Tamba fort. »Du interessiertest mich immer mehr. Wie geschickt du Ikemuras Gruppe gefunden hast! Ohne Sugas Eingreifen hätte mein Auftraggeber womöglich ernsthafte Schwierigkeiten bekommen. Aber Suga war nicht vorsichtig genug, und du hast ihn entlarvt. Du hast neue Beweisstücke gesammelt, noch gefährlicher als die vorigen. Der Auftraggeber befahl, dich zu beseitigen, ein für allemal. Fürst Onokoji zu töten, der ihm allzuviel Sorgen bereitete, überhaupt euch alle: den Chef der ausländischen Polizei, Asagawa, den glatzköpfigen Doktor. Und dich.«
»Mich auch?« Fandorin fuhr auf. »Du sagst, Tsurumaki hat befohlen, auch mich zu töten?«
»Vor allem dich.«
»Und warum hast du es nicht getan? Auf dem Pier?«
Der Alter seufzte schwer und blickte zu seiner Tochter.
»Warum, warum … Und warum vergeude ich jetzt Zeit mit dir, statt dir den Hals umzudrehen?«
Fandorin, den diese Frage ebenfalls sehr beschäftigte, hielt gespannt die Luft an.
»Das habe ich doch schon gesagt. Ich bin ein schlechter, schwacher Jonin. Meine Tochter macht mit mir, was sie will. Sie hat mir verboten, dich zu töten, und ich habe meinen Auftraggeber betrogen. Eine Schande …«
Tamba senkte den Kopf auf die Brust, seufzte noch schwerer, und Fandorin drehte sich zu O-Yumi um, die in Wirklichkeit anders hieß.
»W-warum?« fragte er nur mit den Lippen.
»Die Shinobi degenerieren«, sagte Tamba bitter. »In früheren Zeiten hätte sich ein Ninjamädchen, noch dazu die Tochter eines Jonin,
Weitere Kostenlose Bücher