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Diamantene Kutsche

Diamantene Kutsche

Titel: Diamantene Kutsche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Akunin
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rief Fandorin gereizt.
    War er hinausgegangen? Wäre er im Haus gewesen, hätte er sich gemeldet.
    Ja, er mußte draußen sein. Die Eingangstür, die Fandorin offen gelassen hatte, war nun geschlossen.
    Er ging hin und zog daran. Sie ließ sich nicht öffnen. Was zum Teufel hatte das zu bedeuten?
    Er riß mit aller Kraft an der Tür – sie rührte sich nicht. War sie verklemmt? Halb so schlimm, eine japanische Wand war mühelos einzuschlagen.
    Der Vizekonsul holte aus, hieb mit der Faust gegen die Strohwand und schrie auf. Es fühlte sich an, als sei er gegen Eisen geprallt.
    Hinter ihm knirschte etwas. Er drehte sich um – aus der Wand kam eine weitere Wand gefahren. Nun saß er fest, im engen Quadratzwischen zwei Zimmern, deren Türen (das bemerkte er erst jetzt) ebenfalls geschlossen waren.
    Eine Falle, schoß es ihm durch den Kopf.
    Er riß an der linken Tür – vergebens, an der rechten – dasselbe.
    Er war eingesperrt wie ein Tier im Käfig!
    Aber das Tier hatte Zähne. Fandorin riß seine Herstal mit den sieben Schuß heraus und drehte sich um die eigene Achse, überzeugt, daß eine der vier Türen sich gleich öffnen und dahinter sein Feind lauern würde. Er wußte bereits, wie dieser Feind aussah: Enganliegende schwarze Kleidung und eine Maske, die das ganze Gesicht bedeckte, so daß man nur die Augen sah.
    Tatsächlich erblickte er den schwarzen Mann ohne Gesicht, allerdings nicht dort, wo er ihn erwartete. Nachdem er sich nach allen Seiten umgeschaut hatte, legte er den Kopf in den Nacken – und erstarrte. An der Decke, direkt über ihm lag (jawohl, lag, allen Gesetzen der Physik zum Trotz!) ein Ninja, Arme und Beine ausgebreitet wie eine Spinne. Die beiden funkelnden Augen im Schlitz zwischen Kopftuch und Maske waren direkt auf den Vizekonsul gerichtet.
    Fandorin riß die Hand mit dem Revolver hoch, doch die Kugel traf ins Holz – mit einer unglaublich raschen Bewegung hatte der Shinobi die Waffe gepackt und beiseitegedrückt. Der Spinnenmann hatte einen eisernen Griff.
    Urplötzlich tat sich der Boden unter Fandorin auf, und mit zusammengekniffenen Augen stürzte er in die Tiefe. Seine Herstal war in der Hand des Ninja geblieben.
    Fandorin fiel weich, offenbar auf Kissen. Er öffnete die Augen, in der Erwartung, daß es um ihn dunkel sein würde, doch im Keller brannte eine Lampe.
    Vor dem vom Fall betäubten Fandorin saß mit untergeschlagenen Beinen ein hagerer Greis und rauchte eine lange Pfeife mit winzigem Kopf.
    Er stieß ein bläuliches Rauchwölkchen aus und sagte: »I wait and you come.«
    Die eingekniffenen Augen weiteten sich und funkelten wie zwei glühende Kohlen.
     
    Holz und Feuer wird
    Kohle, plus Zeit – Diamant:
    Heilige Kutsche.

Der Tod des Feindes
    Im Gegensatz zu den Räumen, die Fandorin oben gesehen hatte, wirkte der Keller sogar irgendwie gemütlich. Auf dem Fußboden lagen tatsächlich Kissen, auf einem Lacktischchen stand eine dampfende Teetasse, und an der Wand hinter dem unheimlichen Alten hing ein Bild – das Porträt eines Kriegers mit gehörntem Helm auf dem Kopf, einem Bogen in der Hand und einem Pfeil zwischen den Zähnen, die Augen drohend gen Himmel gerichtet.
    Fandorin fiel die Legende ein, derzufolge der große Momoti Tamba den falschen Mond abgeschossen hatte, doch ihm war jetzt nicht nach alten Überlieferungen zumute.
    Sich auf den Feind zu stürzen war sinnlos – Fandorin erinnerte sich nur zu gut an seine beiden vorangegangenen Gefechte mit dem Jonin, die für ihn demütigend geendet hatten. Wenn der Gegner hundertmal stärker ist, bleibt einem Mann mit Würde nur eine einzige Waffe: seine Geistesgegenwart.
    »Warum hast du O-Yumi entführt?« fragte Fandorin, mit aller Kraft um eine gleichmütige Miene bemüht (was nach der soeben erlittenen Erschütterung relativ schwer war). Er setzte sich auf den Boden und rieb sich die schmerzende Faust. Die Falltür war bereits wieder zugeklappt – über ihm glänzte eine gelbe Holzdecke.
    »Ich habe sie nicht entführt«, antwortete der Greis ruhig in seinem gebrochenen, aber durchaus verständlichen Englisch.
    »Du lügst!«
    Tamba war nicht gekränkt und nicht wütend – er senkte schläfrig die Lider.
    »Die Lüge ist mein Handwerk, aber jetzt sage ich die Wahrheit.«
    Der Gleichmut wollte Fandorin nicht recht gelingen – in einem plötzlichen Anfall blinder Wut stürzte er sich auf den Alten, packte ihn am mageren Hals und schüttelte ihn, als habe er völlig vergessen, daß der Jonin ihn mit einer

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