Diamantene Kutsche
dicht vor sich – wunderschön und voller Leben.
»Liebst du mich wirklich?« fragte er.
»Was?«
Der Geschützdonner verschluckte seine Worte.
»Liebst du mich?« brüllte Fandorin.
Anstelle einer Antwort riß sie sich die Maske herunter, umschlang sein Gesicht und küßte ihn.
Er vergaß die Schnellfeuerkanone, den pfeifenden, donnernden Tod und alles auf der Welt.
Die Kiefer brannte immer heller, und über Baumstämme und Waldboden huschten flackernde rote Schatten. Keuchend riß Fandorin der Geliebten die Kleider vom Leib, der nun nicht mehr schwarz war, sondern weiß.
Midori ließ ihn ungehindert gewähren. Sie keuchte ebenso wie er, und ihre Hände rissen ihm das Hemd vom Leib.
Um sie herum loderten Flammen, barst die Erde, ächzten die Bäume, und Fandorin schien es, als liebe ihn die Nacht selbst, heiß und ungestüm.
Die Kiefernnadeln stachen in Rücken und Ellbogen – die ineinander verkrallten Liebenden wälzten sich am Boden. Einmal traf ein Granatsplitter eine Stelle, an der einen Augenblick zuvor ihre Körper gelegen hatten, doch das schienen sie gar nicht zu bemerken.
Schlagartig war alles vorbei. Midori warf den Geliebten ab und sprang auf.
»Was hast du?« rief er beleidigt, und im selben Augenblick fiel neben ihnen funkensprühend ein brennender Ast zu Boden.
Nun erst kam Fandorin zu sich. Die Kanone war verstummt, nur an zwei oder drei Stellen knackten noch brennende Bäume.
»Wie heißt das hier in deinem Jojutsu?« fragte er heiser, mit einer Geste den Wald umfassend.
Midori band ihr aufgelöstes Haar zum Knoten.
»Das gab es im Jojutsu noch nicht. Aber ich nehme es auf und nenne es ›Feuer und Donner‹.«
Sie schlüpfte bereits in ihre schwarzen Kleider, ihr eben noch weißer Leib wurde wieder schwarz.
»Wo sind die anderen?« Auch Fandorin ordnete hastig seine Kleider. »Warum ist es so still?«
»Komm!« rief sie und lief voraus.
Kurz darauf standen sie vor der Bruchkante – genau an der Stelle, wo der Vizekonsul und sein Diener das Seil hinübergeworfen hatten. Der tote Baum war noch da, das Seil aber konnte Fandorin nirgends entdecken.
»Wohin jetzt?« rief er.
Sie wies schweigend auf die gegenüberliegende Seite.
Dann ließ sie sich auf alle viere nieder und war plötzlich hinter dem Rand der Schlucht verschwunden.
Fandorin stürzte ihr nach. Er entdeckte ein geflochtenes Seil aus trockenen Pflanzenstengeln. Es war dick und stabil, jeder Last gewachsen, darum folgte er Midori, ohne zu zögern.
Sie glitt mühelos und sicher hinunter, ihm dagegen fiel der Abstieg schwer.
»Schneller, schneller! Wir kommen zu spät!« trieb Midori ihn an.
Fandorin bemühte sich, so gut er konnte, doch sie mußte ziemlich lange auf ihn warten.
Kaum war er keuchend auf den grasbewachsenen Boden gesprungen, als seine Begleiterin ihn auch schon weiterzog, in dichtes, stachliges Gebüsch.
Dort schimmerte zwischen zwei Felsbrocken ein Spalt in der steilen Wand. Fandorin zwängte sich mit größter Mühe hinein, dann aber wurde der Gang breiter.
»Schneller, bitte, bitte!« vernahm er Midoris flehende Stimme aus dem Dunkel.
Er rannte, stolperte über eine Wurzel oder einen Stein und wäre beinahe gestürzt. Von oben drang ein heftiger Luftzug.
»Ich sehe nichts!«
In der Finsternis tauchte ein leuchtender Faden auf, von dem schwaches, flackerndes Strahlen ausging.
»Was ist das?« fragte Fandorin bezaubert.
»Yoshitsune«, antwortete Midori ungeduldig. »Eine Falkenfeder, mit Quecksilber gefüllt. Sie brennt auch bei Regen und Wind. Nun komm schon! Ich sterbe vor Scham, wenn ich zu spät komme!«
Nun, bei Licht, sah Fandorin, daß der unterirdische Gang solide gebaut war: Decke und Wände waren mit Bambus verstärkt, Holzstufen führten hinauf.
Er eilte Midori hinterher und schaute sich kaum um, dennoch bemerkte er, daß zu beiden Seiten Wege abgingen. Dies war einganzes Labyrinth. Der lange steile Aufstieg strengte Fandorin sehr an, doch die vor ihm laufende schlanke Gestalt schien keine Erschöpfung zu kennen.
Endlich endeten die Stufen, der Gang wurde wieder schmaler. Die Lampe erlosch, in der Dunkelheit knarrte etwas, und vor ihnen lag ein graues Rechteck, durch das ein feuchter, frischer Morgenhauch hereinwehte.
Midori sprang ins Freie. Fandorin folgte ihrem Beispiel und entdeckte, daß er aus dem Stamm eines alten, krummen Baums kletterte.
Die Geheimtür schloß sich wieder und war auf der rauhen, bemoosten Borke nicht auszumachen.
»Zu spät!« rief Midori
Weitere Kostenlose Bücher