Diamantene Kutsche
ein Japaner! Ein Spion, Jewstrati Pawlowitsch!«
Ein weiterer Mann kam heran, mit einer Melone auf dem Kopf. Er lobte die Männer: »Gut gemacht!«
Dann beugte er sich zu Masa hinunter.
»Guten Tag, Euer japanische Wohlgeboren. Ich bin Hofrat Mylnikow, Polizeidepartement, Sonderabteilung. Wie ist Ihr Name, Ihr Rang?«
Der Festgenommene wollte dem Hofrat einen heftigen Fußtritt gegen das Schienbein versetzen, schaffte es aber nicht. Er fluchte zischend auf Ausländisch.
»Aber warum denn schimpfen«, sagte Mylnikow aus sicherem Abstand tadelnd. »Man hat Sie erwischt, also maulen Sie nicht. Sie sind gewiß ein Offizier aus dem japanischen Generalstab, von Adel, nicht wahr? Ich bin ebenfalls adlig. Also, von Ehrenmann zu Ehrenmann: Was hatten Sie hier vor? Was ist das für eine Schießerei und für ein Gerenne? He, Kassatkin, leuchte mir mal!«
Im gelben Lichtkreis erschien ein wutverzerrtes Gesicht mit schmalen Augen und ein glänzender Bürstenhaarschnitt.
Mylnikow stammelte verwirrt: »Das ist doch … Guten Tag, Herr Masa …«
»Lange nicht gesehen«, zischte Fandorins Kammerdiener.
Dritte Silbe,
in welcher Rybnikow
in die Klemme gerät
In den letzten Monaten hatte Rybnikow (nunmehr Stan) ein hektisches, aufreibendes Leben geführt, Hunderte von Dingen am Tag erledigt und höchstens zwei Stunden täglich geschlafen (die ihm übrigens vollkommen genügten, er erwachte stets frisch und munter). Doch das Glückwunschtelegramm, das er am Morgen nach dem Unglück auf der Tesoimenitski-Brücke erhalten hatte, entband den Stabskapitän von der Routinearbeit und erlaubte ihm, sich ganz auf seine beiden wichtigsten Aufträge zu konzentrieren, die er seine »Projekte« nannte.
Alles, was im Vorfeld getan werden mußte, hatte der frischgebackene Reuter-Korrespondent in den ersten beiden Tagen erledigt.
Für die Vorbereitung des wichtigsten Projekts (dabei ging es um die Übergabe einer großen Partie gewisser Waren) mußte er lediglich dem Empfänger mit dem übermütigen Decknamen Drossel per innerstädtischer Post einen Brief schicken: Erwarten Sie die Lieferung in den nächsten ein, zwei Wochen, alles übrige wie abgesprochen.
Auch das andere Projekt, das zweitrangig, aber ebenfalls von großer Bedeutung war, erforderte keinen großen Aufwand: Außer den bereits erwähnten Telegrammen nach Samara und Krasnojarsk benötigte Rybnikow zwei dünne Glasspiralen, die er nach einermitgebrachten Zeichnung in einer Glasbläserwerkstatt anfertigen ließ, wobei er dem Auftragnehmer vertrauensvoll zuflüsterte, es handele sich um Teile einer Schnapsbrennapparatur für den Hausgebrauch.
Aus alter Gewohnheit oder sozusagen als Reminiszenz an sein hektisches Petersburger Leben lief Rybnikow noch ein, zwei Tage durch Moskauer Militäreinrichtungen, wo sein Korrespondentenausweis ihm den Zugang zu einigen gut informierten Persönlichkeiten verschaffte – bekanntlich hat man bei uns in Rußland eine Schwäche für die ausländische Presse. Der selbsternannte Reporter verschaffte sich interessante Informationen, darunter auch fast geheime, die, richtig verknüpft und analysiert, gänzlich geheimen Charakter erlangten. Dann jedoch besann sich Rybnikow und stellte jegliche Interviews ein. Verglichen mit der Wichtigkeit der ihm anvertrauten Projekte war das alles Kleinkram, nicht wert, deswegen ein Risiko einzugehen.
Rybnikow zwang sich, seinen ausgeprägten Aktionstrieb zu unterdrücken und mehr Zeit zu Hause zu verbringen. Geduld und Untätigkeit sind eine schwere Prüfung für jemanden, der normalerweise keinen Augenblick stillsitzt, doch Rybnikow meisterte auch das mit Bravour.
Aus dem energiegeladenen Mann wurde schlagartig ein Sybarit, der stundenlang im Sessel am Fenster saß und im Morgenrock in der Wohnung herumlief. Sein neuer Lebensrhythmus paßte wunderbar zum Tagesablauf der fröhlichen Bewohnerinnen des Pensionats, die erst gegen Mittag aufstanden und bis sieben Uhr abends mit Lockenwicklern und in Pantoffeln herumliefen. Rybnikow freundete sich auf Anhieb mit ihnen an.
Am ersten Tag waren die jungen Damen ihm gegenüber nochscheu und machten ihm schöne Augen, doch rasch verbreitete sich das Gerücht, er sei Beatrices Liebster, woraufhin die Anbändelungsversuche sofort aufhörten. Am zweiten Tag war »Wassenka«bereits der allgemeine Liebling. Er schenkte den Mädchen Pralinen, hörte sich interessiert ihre Flunkereien an, ja, er klimperte sogar auf dem Klavier und sang mit angenehmem, ein wenig süßlichem
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