Diamantene Kutsche
womöglich würden sie ihn töten.
»Wir fassen sie, wenn sie rauskommen«, flüsterte er seinem Diener zu. »Einen du, einen ich.«
Masa nickte und leckte sich die Lippen. Doch das Schicksal wollte es anders.
»Panowe, Schmiere!« rief einer der Männer – vermutlich hatte er die beiden Schatten vorm Fenster entdeckt.
Im selben Augenblick erlosch die Azetylflamme, und aus dem stockfinsteren Raum wurde ein Schuß abgefeuert.
Fandorin und der Japaner sprangen in perfekter Synchronie beiseite, jeder in eine andere Richtung. Das Schaufenster zersplitterte mit ohrenbetäubendem Klirren.
Aus dem Laden wurde nochmals geschossen, diesmal allerdings vollkommen ins Leere.
»Alle, die rausspringen, gehören dir«, sagte Fandorin rasch.
Geduckt sprang er über das mit Splittern übersäte Fensterbrett und verschwand im dunklen Bauch des Juweliergeschäfts.
Drinnen wurde auf Russisch und Polnisch geflucht, man hörte kurze, peitschende Schläge, und hin und wieder erhellte ein Mündungsfeuer das Ladeninnere.
Nun kam ein Mann mit karierter Mütze aus dem Laden gestürmt, den Kopf zwischen die Schultern gezogen. Masa stellte ihm ein Bein, setzte den Flüchtigen mit einem Schlag in den Nacken außer Gefecht, fesselte ihn rasch und schleppte ihn zu den Kutschen, wo bereits der von Fandorin betäubte Kutscher lag.
Kurz darauf kam der Nächste aus dem Schaufenster gesprungen und rannte los, ohne nach links und rechts zu schauen. Der Japaner holte ihn mühelos ein, packte ihn am Handgelenk und verdrehte es ein wenig – der Räuber jaulte auf und krümmte sich.
»Ganz luhig«, sagte Masa zu dem Gefangenen, band ihm rasch die Handgelenke an den Waden fest, trug ihn zu den beiden anderen und kehrte auf seinen Posten zurück.
Der Lärm im Laden war verstummt. Masa hörte Fandorin sagen: »Eins, zwei, drei, vier … Wo ist denn der fünfte … Ah, da ist er ja – fünf. Masa, wieviel hast du?«
»Drei.«
»Stimmt.«
Fandorin tauchte in dem mit gezackten Scherben gespickten Fensterrahmen auf.
»Lauf zum Depot, hol die Gendarmen. Aber schnell, sonst k-kommen die wieder zu sich, und das Ganze geht von vorne los.«
Der Diener rannte in Richtung Nowo-Basmannaja.
Fandorin band inzwischen den Nachtwächter los und klopfte ihm auf die Wangen, damit er wieder zu sich kam. Doch er wollte partout nicht – er brummte, kniff die Augen zusammen und wurde von einem trockenen Schluckauf geschüttelt. Ein Schock, wie Mediziner diesen Zustand nennen.
Während Fandorin ihm die Schläfen massierte und den Nervenknotenpunkt unter dem Schlüsselbein betastete, kam Bewegung in die betäubten Räuber.
Ein Hüne, der erst vor fünf Minuten einen mächtigen Tritt gegen das Kinn kassiert hatte, setzte sich auf und schüttelte den Kopf. Fandorin mußte von dem Nachtwächter lassen und dem Auferstandenen einen Nachschlag verpassen.
Kaum war der mit der Nase auf dem Fußboden gelandet, als der Nächste zu sich kam – er erhob sich auf alle viere und kroch rasch zur Tür. Fandorin stürzte ihm nach und betäubte ihn erneut.
In einer Ecke regte sich indessen der dritte, und draußen, wo Masa sein Ikebana arrangiert hatte, stand auch nicht mehr alles zum besten: Im Licht der Straßenlaterne sah Fandorin, daß der Kutscher versuchte, mit den Zähnen den Knoten am Ellbogen seines Komplizen zu lösen.
Fandorin fühlte sich wie ein Zirkusclown, der mehrere Bälle in die Luft geworfen hat und nun nicht weiß, wie er mit ihnen fertig werden soll – hob er einen auf, purzelten schon die nächsten herunter.
Er rannte in die Ecke. Der dunkelhaarige Bandit (vielleicht gar der bewußte Jusek?) war nicht nur zu sich gekommen, er hatte bereits ein Messer gezogen. Fandorin versetzte ihm einen Hieb und zur Sicherheit noch einen, und er legte sich hin.
Und nun schnell zu den Kutschen – bevor die drei abhauen konnten.
Verdammt, wo blieb nur Masa?
Fandorins Kammerdiener war gar nicht bis zu Danilow gelangt, der mit seinen Leuten hilflos vor dem Haus der Warwarin-Gesellschaft herumstand.
Gleich an der ersten Ecke hatte sich ein flinker Mann vor ihn geworfen, zwei weitere hatten sich auf ihn gestürzt und ihm die Arme verdreht. Masa knurrte und versuchte sogar zu beißen, doch sie hatten einen festen, professionellen Griff.
»Jewstrati Pawlowitsch! Wir haben einen! Ein Chinese! Sag schon, Chinese, wo ist die Schießerei?«
Sie zogen Masa am Zopf, und die Perücke fiel ab.
»Er ist verkleidet!« rief dieselbe Stimme triumphierend. »Ein Schlitzauge,
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