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Diamantene Kutsche

Diamantene Kutsche

Titel: Diamantene Kutsche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Akunin
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Petrowsko-Rasumowskoje verzichteten sie – das war zu riskant. Zu dieser nächtlichen Stundewaren die Alleen der Sommerhaussiedlung menschenleer, obendrein schien auch noch der Mond mit voller Kraft. Es war vernünftiger, alle Kräfte an einem Ort zu konzentrieren, dort, wo die Zusammenkunft der Verschwörer geplant war.
    Für diese Aktion mobilisierte Danilow den gesamten Personalbestand seiner Abteilung, bis auf die Diensthabenden – 67 Mann.
    Den größten Teil der Gendarmen stellte, nein, legte er (der Befehl lautete: »still liegen, nicht rühren!«) um das Depot herum, an der Innenmauer entlang. Das Kommando übertrug er Lissizki. Danilow selbst verbarg sich mit zehn seiner besten Männer im Gebäude der Direktion.
    Damit die Eisenbahngendarmerie auf dem Gebiet der Artillerieverwaltung schalten und walten durfte, mußte der Chef des Depots aus dem Bett geholt werden, ein uralter General, der noch im Kaukasus gegen Schamil gekämpft hatte. Der regte sich so auf, daß er gar nicht daran dachte, an Kompetenzfeinheiten herumzumäkeln – er war sofort mit allem einverstanden und schluckte alle paar Minuten Herztropfen.
    Als Fandorin sah, daß Danilow auch ohne ihn bestens zurechtkam, überließ er ihm die Leitung der Aktion allein. Er postierte sich mit Masa in einem Torweg gegenüber dem Depot. Diesen Ort wählte er nicht zufällig. Sollten die Gendarmen, die keine Übung in solchen Operationen hatten, den einen oder anderen entwischen lassen, wollte Fandorin ihnen den Weg abschneiden – ihm würden sie nicht entkommen. Danilow aber legte Fandorins Entscheidung auf seine Weise aus. In den Ton des von den Vorbereitungen beflügelten Oberstleutnants mischte sich leichte Herablassung: Ich verstehe, und ich verurteile Sie nicht, Sie sind Zivilist, Sie müssen sich keinem Kugelhagel aussetzen.
    Kaum hatten alle ihre Plätze eingenommen, kaum hatte der nervöse General, wie abgesprochen, das Licht in seinem Büro gelöscht und sein Gesicht an die Fensterscheibe gepreßt, als auf dem nahegelegenenKalantschowka-Platz die Turmuhr schlug, und im nächsten Augenblick kamen aus zwei Richtungen Kutschen in die dunkle Straße gerollt – zwei von der Rjasanski-Durchfahrt, eine von der Jelochowskaja-Straße. Vor dem Gebäude der Verwaltung trafen sie zusammen, und Leute stiegen aus. (Fandorin zählte fünf, drei blieben auf den Kutschböcken sitzen.) Sie flüsterten miteinander.
    Fandorin griff nach seiner schönen flachen Pistole, einer Spezialanfertigung aus der belgischen Browning-Fabrik, und spannte den Hahn. Sein Kammerdiener wandte sich demonstrativ ab.
    Na los, vorwärts, trieb Fandorin die Polen in Gedanken an und seufzte – es bestand wenig Hoffnung, daß Danilows Adler auch nur einen davon lebend gefangennehmen würden. Egal, wenigstens einer der Verschwörer würde bei den Pferden bleiben müssen. Der Glückliche würde den Kugeln der Gendarmen entgehen und Fandorin in die Hände fallen.
    Die Besprechung war zu Ende. Doch anstatt zur Tür der Verwaltung zu gehen oder direkt zum Tor, stiegen die Saboteure erneut in die Kutschen. Peitschen knallten, und alle drei Kutschen fuhren mit wachsendem Tempo fort vom Depot, in Richtung Dobraja Sloboda.
    Hatten sie etwas bemerkt? Ihren Plan geändert?
    Fandorin rannte aus dem Torweg.
    Die Kutschen waren bereits um die Ecke verschwunden.
    Fandorin warf seinen wundervollen Mantel ab und rannte ihnen nach.
    Sein Diener hob den Mantel auf und lief keuchend hinerher.
    Als Oberstleutnant Danilow mit seinen Gendarmen auf die Treppe herausgestürmt kam, war die Nowo-Basmannaja menschenleer. Das Hufetrappeln war in der Ferne verhallt, am Himmel schien ungerührt der Mond.
     
    Es erwies sich, daß Fandorin, verantwortlicher Mitarbeiter einer höchst seriösen Behörde, ein nicht mehr junger Mann, nicht nur Masten emporklettern, sondern auch unglaublich schnell laufen konnte, wobei er keinerlei Geräusch verursachte und nahezu unsichtbar blieb – er lief dicht an den Hauswänden entlang, wo die nächtlichen Schatten am dichtesten waren, machte einen Bogen um mondbeschienene Stellen oder sprang mit einem gewaltigen Satz darüber hinweg. Er glich einem Gespenst, das in seinen jenseitigen Angelegenheiten durch die dunkle Straße eilte. Nur gut, daß ihm kein später Passant begegnete – der Ärmste hätte eine ernsthafte Erschütterung erlitten.
    Die Kutschen hatte Fandorin bald eingeholt. Von da an lief er langsamer, um den Abstand nicht zu verkleinern.
    Indes dauerte die Jagd nicht

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