Diamantene Kutsche
»Midori-san wegbringen. Du. Auftrag. Ich hier.«
Das fehlte noch! Davon wollte Masa nichts hören. Er knurrte: »Wie soll ich sie denn wegbringen? Ich bin nicht Tamba, ich kann nicht fliegen.«
Der Anschaulichkeit halber wedelte er mit den Armen, als wären es Flügel, aber der Herr verstand ihn natürlich nicht. Wie sollte man ihm, dem Sprachlosen, etwas erklären?
Die Schwarzjacken drängten sich um Tanshins Körper und stritten. Viele ihrer Leute waren getötet, darunter auch ihr Anführer, aber es waren immer noch viele übrig. Dreißig Mann? Vierzig?
Masa, ein guter Kopfrechner, überlegte.
Der Herr hatte in seinem kleinen Revolver sieben Kugeln. Er, Masa, konnte drei Männer töten. Wenn er Glück hatte, vier. Midori-san war eine Ninja, sie konnte bestimmt zehn niederstrecken.
Das waren wie viele?
Midori-san unterbrach seine Rechnung.
»Wartet hier«, sagte sie. »Vater kommt euch holen.«
»Gehen Sie denn weg, Herrin?«
Sie antwortete nicht, sondern wandte sich dem Herrn zu.
Auch er fragte sie etwas, mit angespannter, versagender Stimme.
Sie antwortete ihm nicht. Jedenfalls nicht mit Worten.
Sie streichelte seine Wange, dann seinen Hals. Genau die richtige Zeit für Zärtlichkeiten! Ein Weib blieb doch ein Weib, selbst wenn sie eine Ninja war.
Midori-sans Hände glitten in den Nacken des Herrn, dann preßte sie plötzlich fest die weißen Finger zusammen. Die runden Augen des Herrn wurden vor Verwunderung noch runder. Der Herr sackte zu Boden und lehnte sich mit dem Rücken an einen Baumstamm.
Sie hatte ihn getötet! Die verfluchte Hexe hatte ihn getötet!
Mit einem Aufschrei holte Masa zum tödlichen Kubiori-Schlag aus, der ihr die Kehle brechen sollte, aber eine starke Hand packte seine Unterarm.
»Er lebt«, sagte sie Shinobifrau hastig. »Er kann sich bloß nicht bewegen.«
»Warum?« keuchte Masa mit schmerzverzerrtem Gesicht. Was für ein Griff!
»Er hätte mir nicht erlaubt zu tun, was nötig ist.«
»Was denn?«
Sie ließ ihn los, überzeugt, daß er sie anhören würde.
»Ins Haus gehen. In den Keller. Dort steht in einem Geheimversteck ein Faß Schwarzpulver. Die Menge ist so bemessen, daß das Haus nach innen einstürzt und alle unter sich begräbt, die sich darin befinden.«
Masa überlegte einen Augenblick.
»Aber wie kommen Sie ins Haus?«
»In einer Stunde ist er wieder bei Kräften«, erwiderte Midori-san statt einer Antwort. »Bleib bei ihm.«
Dann beugte sie sich über den Herrn und flüsterte ihm etwas in Gaijinsprache zu.
Und verschwand – sie ging auf die Lichtung hinaus und lief mit ihrem leichtfüßigen Gang auf das Haus zu.
Sie wurde nicht sofort entdeckt, doch als die Schwarzjacken die Gestalt in der schwarzen, enganliegenden Ninjakleidung erblickten, gerieten sie in Bewegung.
Midori-san hob die leeren Hände und rief: »Herr Tsurumaki kennt mich! Ich bin Tambas Tochter! Ich zeige euch sein Geheimversteck!«
Die Schwarzjacken umringten und durchsuchten sie. Dann bewegte sich die ganze Menge zur Treppe und verschwand im Haus. Draußen blieb keine Menschenseele.
Bis hier sind es höchstens dreißig Schritte, begriff Masa plötzlich. Wenn es eine Explosion gibt, werden wir unter Splittern begraben. Ich muß den Herrn ein Stück weiter weg schleppen.
Er umschlang den leblosen Körper und schleifte ihn über den Boden.
Aber er kam nicht weit, nur ein paar Schritte. Dann erzitterte die
Erde, und seine Ohren wurden taub.
Masa drehte sich um.
Momotis Haus stürzte ein, als ginge es in die Knie: Erst knickten die Wände ein, dann krachte das Dach herunter und brach in der Mitte entzwei, und Staub flog nach allen Seiten. Es wurde taghell, und eine Welle heißer Luft streifte Masas Gesicht.
Er beugte sich nieder, um den Körper seines Herrn zu schützen, und sah aus dessen weit geöffneten Augen Tränen fließen.
Die Frau hatte ihn betrogen. Der Herr kam weder nach einer noch nach zwei Stunden zu sich. Masa ging sich ein paarmal den Trümmerhaufen ansehen. Er grub einen Arm im schwarzem Ärmel aus, ein Bein in einer schwarzen Hose, einen kurzgeschorenen Kopf ohne Unterkiefer. Er fand keinen einzigen Überlebenden.
Mehrmals lief er zurück zu seinem Herrn und versuchte ihn wachzurütteln. Der schien zwar bei Bewußtsein, lag aber reglos da und starrte zum Himmel. Anfangs liefen Tränen über sein Gesicht, dann versiegten sie.
Kurz vor Morgengrauen kam Tamba – einfach durch den Wald gelaufen, von der Schlucht her, als sei nichts geschehen.
Er sagte,
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