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Diamantene Kutsche

Diamantene Kutsche

Titel: Diamantene Kutsche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Akunin
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Klumpen. Daran kann man sterben.«
    Was das Ki war, wußte Fandorin nicht, und vorm Sterben hatte er keine Angst, trotzdem erfüllte er dem Alten die Bitte. Er sagte: »Es ist heiß. Wenn der Wind in diese Richtung weht, ist es heiß.«
    Der Jonin nickte zufrieden.
    »Gut. Nun wird dein Herz nicht platzen. Aber es hat sich mit einer Eisschicht überzogen, und das ist ebenso gefährlich. Ich kenne ein gutes Mittel, den Eispanzer zu schmelzen: Rache. Wir beide haben denselben Feind. Du weißt, wen.«
    Tsurumaki, dachte Fandorin und horchte in sich hinein – in ihm regte sich nichts.
    »Das würde nichts ändern«, sagte er.
    Tamba nickte.
    Sie schwiegen.
    »Weißt du, ich habe sie gefunden«, sagte der Alte nach einer Minute, vielleicht auch nach einer Stunde. »Ich mußte Balken und Bretter beiseite räumen, aber ich habe sie gefunden. Sie ist dort, schau.«
    Er zeigte auf das zweite Feuer.
    Erst jetzt begriff Fandorin, was dort lag, unter dem weißen Tuch. Zittern erfaßte ihn, er konnte es nicht bändigen, es wurde immer heftiger.
    »Sie ist meine Tochter. Ich habe beschlossen, sie einzeln zu bestatten. Komm, verabschieden wir uns von ihr.«
    Doch Fandorin rührte sich nicht von der Stelle, sondern schüttelte nur verzweifelt den Kopf.
    »Hab keine Angst. Ihr Körper ist in Stücke gerissen, aber ich habe ihn verhüllt. Ihr Gesicht ist zur Hälfte erhalten. Aber geh nicht zu nahe heran.«
    Ohne auf Fandorin zu warten, ging Tamba zum Feuer. Er schlug das Tuch ein Stück zurück, und Fandorin sah Midoris Profil. Weiß, schmal, ruhig – und ebenso schön wie im Leben.
    Fandorin stürzte zu ihr, doch der Jonin trat ihm in den Weg.
    »Nicht näher heran!«
    Nein? Warum nicht? Er wollte Tamba zur Seite schleudern, doch der packte ihn um die Taille.
    »Nicht! Sie hätte es nicht gewollt!«
    Der verdammte Alte hatte einen eisernen Griff; Fandorin konnte keinen Schritt mehr tun. Er erhob sich auf Zehenspitzen, um mehr zu sehen als das Profil.
    Und er sah.
    Die andere Hälfte ihres Gesichts war schwarz, verkohlt; sie glich einer schaurigen afrikanischen Maske.
    Fandorin wich entsetzt zurück, und Tamba rief ärgerlich: »Wasprallst du zurück? Ein toter Ninja hat eigentlich kein Gesicht, Midori aber hat noch die Hälfte. Weil sie zur Hälfte keine Ninja mehr war – deinetwegen!« Seine Stimme zitterte. Er entzündete die Fackel. »Egal. Das Feuer reinigt alles. Schau her. Ihr Körper wird sich in den Flammen des reinigenden Feuers krümmen und aufrichten und schließlich zu Asche zerfallen.«
    Aber Fandorin wollte nicht zusehen, wie sich ihr armer Körper krümmte. Er ging auf den Wald zu, mühsam nach Luft schnappend.
    Irgend etwas war mit seiner Lunge geschehen. Seine Brust füllte sich nicht mit Luft. Die kurzen, krampfhaften Atemzüge waren qualvoll.
    Warum, warum hatte er nicht auf Tamba gehört? Warum war er zum Feuer gegangen? Sie wollte einen schönen Abschied, ganz nach ihrer Lehre; der Geliebte sollte ihr zärtliches Gesicht und ihre Abschiedsworte in Erinnerung behalten. Nun aber, das wußte er genau, würde das alles verdrängt von der schwarzweißen Maske – zur Hälfte unbeschreiblich schön, zur Hälfte das Grauen und der Tod selbst.
    Was war nur mit seiner Lunge los? Sein Atem war kurz und abgehackt. Nicht, weil er nicht einatmen konnte – nein, er konnte nicht ausatmen. Die vergiftete Luft dieses verfluchten Morgens saß in seiner Brust und wollte nicht heraus.
    »Deine Haut ist ganz blau«, sagte Tamba neben ihm.
    Das Gesicht des Alten wirkte ganz ruhig, ja irgendwie schläfrig.
    »Ich kann nicht atmen«, stieß Fandorin hervor.
    Der Jonin sah ihm in die Augen und schüttelte den Kopf.
    »Das wirst du auch nicht. Du mußt die böse Kraft herauslassen. Sonst erstickst du daran. Du mußt das Eis zerschlagen, das dein Herz zusammenpreßt.«
    Er redet wieder von Tsurumaki, begriff Fandorin.
    »Gut. Ich komme mit dir. Das wird mir kaum das Herz wärmen, aber vielleicht kann ich dann wieder atmen.«
    Hinter ihm wüteten die Flammen, doch er wandte sich nicht um. »Ich habe nun keine Schwächen mehr«, sagte der Jonin. »Jetzt werde ich ein echter Tamba. Auch du wirst stärker werden. Du bist noch jung. Es gibt sehr viele gute Frauen auf der Welt, viel mehr als gute Männer. Die Frauen werden dich lieben, und du wirst sie lieben.«
    Fandorin erklärte: »I mustn’t love anybody. My love brings desaster. I cannot love. I cannot love.« 2
    Darauf schwieg Tamba.
     
    Nein, nichts ist schlimmer
    Als das Schweigen

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