Diamantene Kutsche
Midori-san.
Masa griff nach dem rauhen Strick, und der zog ihn hinauf. Es war vollkommen dunkel und ein wenig eng, doch nach einer halben Minute endete der Aufstieg.
Zuerst erblickte Masa einen Dielenboden, dann zog ihn das Seil bis zur Hüfte aus der Luke, und er kletterte allein hinaus.
Er schaute sich um und begriff, daß er auf dem Dachboden war: Zu beiden Seiten befanden sich Dachschrägen, und durch zwei vergitterte Fenster (eins vorn, eins hinten) drang trübes Licht.
Masa zwinkerte ein paarmal, um sich an die Dunkelheit zu gewöhnen, und erkannte drei Gestalten: eine große (das war sein Herr), eine kleine (Tamba) und eine mittelgroße (der rotgesichtige Tanshin, der erste Gehilfe des Sensei). Midori kam aus der Luke geschwebt, und der hölzerne Deckel schlug zu.
Offenbar waren hier alle Überlebenden von Kakushimura versammelt.
Zunächst einmal galt es, nachzusehen, was sich draußen tat. Masa schaute aus einem der Fenster, vor dem ein roter Feuerschein flackerte.
Eine Feuerborte aus Fackeln säumte das Haus im Halbkreis, von der Schlucht bis zum Steilhang. Zwischen den Flammenzungenstanden Silhouetten mit Gewehren über der Schulter. Dorthin konnten sie nicht – das war klar.
Masa lief zum anderen Fenster, doch da sah es ganz übel aus – dahinter gähnte der schwarze Abgrund.
Was hieß das also? Auf der einen Seite der Abgrund, auf der anderen – Gewehre. Oben der Himmel. Unten … Im Fußboden, am anderen Ende des Dachbodens, leuchtete ein gelbes Quadrat – das Loch, das der Mönch im dritten Zimmer links entdeckt hatte. Dort standen Schwarzjacken mit entblößten Dolchen. Da hinunter konnten sie also auch nicht.
Und ganz hinunter, in den Keller?
Masa lief zum Seilzug und öffnete die Luke, durch die er vor ein paar Minuten gekommen war.
Von unten drangen Stimmen und Füßegetrappel herauf – die Feinde durchwühlten bereits den Keller.
Also würden sie bald auf den Boden kommen.
Es war alles aus. Er konnte seinen Herrn unmöglich retten.
Nun, dann war es die Pflicht des Vasallen, mit ihm zu sterben. Doch zuvor mußte er seinem Herrn einen letzten Dienst erweisen: Ihm behilflich sein, mit Würde aus dem Leben zu scheiden. In einer ausweglosen Situation, wenn man von allen Seiten von Feinden umgeben ist, bleibt nur eines: Die Feinde des Vergnügens berauben, deine Todesqualen zu sehen. Sie sollen nur einen gleichgültigen Leichnam in die Hände bekommen, während dein totes Gesicht sie voller Hochmut und Verachtung anschaut.
Welche Methode sollte er seinem Herrn vorschlagen? Wäre er Japaner, wäre das keine Frage. Er besaß einen Dolch, und für ein anständiges Seppuku war genügend Zeit. Tanshin hatte ein kurzes gerades Schwert an seiner Seite baumeln, so daß sich sein Herr nicht vor Schmerzen würde krümmen müssen. Sobald er mit dem Dolch seinen Bauch berührte, würde der treue Masa ihm den Kopf abschlagen.
Aber die Gaijin begingen kein Seppuku. Sie starben lieber durch Schießpulver.
Gut, dann eben so.
Masa ging schnurstracks zum Jonin, der gerade mit seiner Tochter flüsterte und gleichzeitig etwas Seltsames tat: Er steckte Bambusstäbe ineinander.
Masa entschuldigte sich höflich, daß er das familiäre Gespräch unterbreche, und sagte: »Sensei, für meinen Herrn ist es Zeit, aus dem Leben zu gehen, und ich möchte ihm dabei helfen. Ich habe gehört, daß der christliche Glaube Selbstmord verbietet. Ich bitte Sie, meinem Herrn zu übersetzen, daß es mir eine Ehre wäre, ihm eine Kugel ins Herz oder in die Schläfe zu schießen, ganz wie er es wünscht.«
Da näherte sich der Herr selbst. Er schwenkte seinen Revolver und sagte etwas. Seine Miene war finster und entschlossen. Vermutlich war ihm derselbe Gedanke gekommen.
»Erklär ihm, er soll nicht schießen«, sagte Tamba hastig zu seiner Tochter. »Er hat nur sieben Patronen. Selbst wenn er kein einziges Mal danebenschießt und sieben Schwarzjacken tötet, ändert das nichts. Sie werden nur einen Schreck bekommen, die Durchsuchung abbrechen und das Haus anzünden. Bis jetzt haben sie das noch nicht getan, weil sie Tsurumaki meinen Leichnam vorweisen wollen und hoffen, irgendwelche Geheimverstecke zu finden. Aber wenn wir sie erschrecken, werden sie das Haus anzünden. Sag, ich bitte dich zu übersetzen, weil mein Englisch zu langsam ist. Führe ihn beiseite, lenk ihn ab. Ich brauche noch eine Minute. Und dann handelst du, wie verabredet.«
Was für eine Verabredung? Wofür brauchte er noch eine Minute?
Während
Weitere Kostenlose Bücher