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Diamantene Kutsche

Diamantene Kutsche

Titel: Diamantene Kutsche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Akunin
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einholen.
    Unter ihren Füßen knarrten die Dachschindeln, ein frischer Wind blies ihnen ins Gesicht. Masa schaute zum Abgrund, um den Zaubervogel noch einmal zu sehen, aber der war bereits fortgeflogen.
    Die letzten Meter krochen sie auf dem Bauch, damit die Posten der Schwarzjacken sie nicht entdeckten.
    Die Vorsicht war unnötig – auf der Lichtung brannten zwar noch die Fackeln, die Männer aber waren verschwunden.
    »Wo sind sie?« fragte Masa flüsternd.
    Und erriet es selbst: Sie waren ins Haus gerannt. Kein Wunder! Ihr Kommandeur war getötet, der oberste Ninja hatte sich in einen Habicht verwandelt. Wenn er es nicht mit eigenen Augen gesehen hätte, würde er es niemals geglaubt haben.
    Die Umzingelung war aufgelöst, aber was nützte das? Wenn sie hinuntersprangen, brachen sie sich die Beine – das waren bestimmt vier Ken 6 .
    Aber Midori-san schwang kurz vorm Dachfirst den Arm hoch, und die Leere surrte leise. Vom Haus aus war ein durchsichtiges Seil gespannt. Midori-san band ihren Gürtel ab, warf ihn über das Seil, verknotete ihn und zeigte Masas Herrn, wie er die Arme durchstecken sollte. Sie selbst behalf sich ohne Gurt – sie packte das Seil mit den Händen, stieß sich ab und flog im Nu über die Lichtung. Auch der Herr zögerte nicht; fest in den Gurt geklammert, flog er davon, daß es nur so zischte.
    Nun war Masa an der Reihe. Tanshin hielt schon einen Gurt für ihn bereit und stieß ihn in den Rücken.
    Der Flug über die erleuchtete Lichtung, über die flackernden Feuer hinweg war unheimlich, aber auch schön. Masa mußte sich beherrschen, um nicht vor Begeisterung aufzuheulen.
    Allerdings endete der Flug nicht eben angenehm. Aus der Dunkelheit kam ein Kiefernstamm auf Masa zugerast, und hätte der Herr ihn nicht am Arm gepackt, wäre Masa plattgedrückt worden. Trotzdem prellte er sich noch die Stirn, daß er Sterne sah.
    Am Stamm war eine kleine Holzplattform befestigt. Beim Herunterklettern mußten sie mit dem Fuß nach Ästen tasten.
    Erst als Masa auf den Boden sprang, sah er, daß Tanshin auf dem Dach geblieben war – von hier aus, vom anderen Ende der Lichtung, war seine schwarze Silhouette gut zu erkennen.
    Stahl blitzte auf, etwas zischte durch die Luft. Midori-san griff nach dem durchsichtigen Seil und zog es zu sich heran.
    »Warum hat er das Seil gekappt?« rief Masa.
    »Wenn sie aufs Dach kommen und das Seil sehen, wissen sie Bescheid«, antwortete sie knapp. »Tanshin wird runterspringen.«
    Kaum hatte sie das gesagt, als Gestalten aufs Dach krochen, sehrviele. Sie entdeckten den am Dachrand erstarrten Shinobi und stürzten mit Gebrüll zu ihm.
    Doch Tanshin krümmte sich, sprang hoch, überschlug sich in der Luft, war im nächsten Augenblick unten, rollte wie ein Ball über den Boden und sprang auf die Füße.
    Doch aus dem Haus kamen bereits Männer auf ihn zugelaufen.
    »Schneller, schneller!« flüsterte Masa, die Fäuste geballt.
    Mit wenigen Sprüngen erreichte der Ninja die Mitte der Lichtung, lief aber nicht in den Wald, sondern blieb stehen.
    Er will die Verfolger nicht zu uns führen, vermutete Masa.
    Tanshin riß eine Fackel aus dem Boden, dann eine zweite, und rannte seinen Feinden entgegen. Die Schwarzjacken prallten zunächst vor den wie wild kreisenden Flammenzungen zurück, schlossen dann aber erneut einen Kreis um den Shinobi.
    Die Kleidung eines Mannes fing Feuer, ein weiterer lief mit Geheul davon und versuchte, das Feuer in seinen Haaren zu ersticken.
    Sie mußten rasch verschwinden, doch Masa war wie gebannt davon, wie schön Tanshin starb. Ein Tod im Feuer, umringt von blitzenden Klingen – was konnte herrlicher sein?
    Der Herr zog Midori-san in den Wald und zeigte zur Schlucht – vermutlich zum Seilzug.
    Masa mußte der Tochter des Vogelmenschen erklären, daß sie den unterirdischen Gang nicht benutzen konnten. Der Mönch hatte auf dem Grund der Schlucht bestimmt Wachen postiert, und die würden sie erschießen, bevor sie unten waren.
    »Besser, wir bleiben hier im Wald sitzen«, schloß Masa. Aber Midori-san widersprach ihm: »Nein. Die Schwarzjacken haben meinen Vater entkommen lassen, nun müssen sie um jeden Preis deinen Herrn finden. Ohne seinen Kopf können sie sich nicht zu Tsurumaki wagen. Wenn sie im Haus alles abgesucht haben, werden sie noch einmal den Wald durchkämmen.«
    »Und was tun?«
    Sie wollte gerade antworten, doch da mischte sich der Herr zur Unzeit ein.
    Er zog Masa beiseite und sagte in seinem gebrochenen Japanisch:

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