Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Diamantene Kutsche

Diamantene Kutsche

Titel: Diamantene Kutsche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Akunin
Vom Netzwerk:
blankgewichsten Stiefeln, langem Mantel und mit Ballonmütze – der perfekte Kommis. Die Säcke schleppte er selbst, ließ nicht einmal den Kutscher mit anfassen, damit der nicht noch zehn Kopeken extra verlangte. Er brachte das »Maismehl« von der Brester Bahnstrecke zur Rjasan-Ural-Strecke, denn nun ging es weiter nach Osten. Auf dem Weg ans andere Ende der Stadt packte er die Ware um, auf dem Bahnhof gab er sie als zwei getrennte Posten in die Gepäckaufbewahrung.
    Damit waren die Laufereien auf den Bahnstationen erledigt. Rybnikow war kein bißchen müde, er war im Gegenteil voller böser, vitaler Energie – weil er ganz zermürbt war vom erzwungenen Müßiggang und natürlich, weil er sich seiner Wichtigkeit bewußt war.
    Mit Verstand abgeschickt, pünktlich in Empfang genommen und klug zum Bestimmungsort weitergeleitet, dachte er. So entsteht UNBESIEGLICHKEIT. Wenn jeder an seinem Platz handelt, als hinge der Ausgang des Krieges von ihm allein ab.
    Ein wenig Sorgen machten ihm die aus Samara und Krasnojarsk herbestellten Strohmänner. Würden Sie sich auch nicht verspäten? Doch Rybnikow hatte nicht zufällig aus seinem Notizbuch gerade diese beiden ausgewählt. Der Mann aus Krasnojarsk (Rybnikow nannte ihn im stillen »Tunnel«) war geldgierig und deshalb zuverlässig, der aus Samara (Deckname »Brücke«) war zwar nicht sonderlich zuverlässig, hatte aber gewichtige Gründe, sich nicht zu verspäten – dieser Mann hatte nur noch wenig Zeit.
    Und Rybnikow hatte richtig kalkuliert – die beiden enttäuschten ihn nicht. Davon konnte er sich überzeugen, als er auf dem Weg vom Bahnhof in den beiden verabredeten Hotels vorbeischaute, im»Kasan« und im Eisenbahnhotel. Die Hotels lagen dicht beieinander, allerdings nicht in unmittelbarer Nachbarschaft. Es hätte noch gefehlt, daß die Strohmänner durch einen dummen Zufall Bekanntschaft miteinander schlossen.
    Im Eisenbahnhotel hinterließ Rybnikow die Nachricht: »Um drei. Gontscharow.«, im »Kasan«: »Um vier. Gontscharow.«
     
    Nun war es an der Zeit, sich um den Mann mit dem Decknamen Drossel zu kümmern, den Empfänger des Transports.
    Hierbei legte Rybnikow besondere Vorsicht an den Tag, denn er wußte, daß die Sozialrevolutionäre von der Geheimpolizei überwacht wurden, und auch unter dem Revolutionärspack selbst gab es genügend Verräter. Rybnikow hoffte nur, daß dies Drossel ebenso bewußt war wie ihm selbst.
    Rybnikow rief ihn von einem öffentlichen Fernsprecher aus an (eine höchst bequeme Neuerung, die es seit kurzem in den Metropolen gab). Er bat das Fräulein vom Amt um eine Verbindung mit der Nummer 34-81.
    Dann sagte er folgenden Satz: »Bitte tausendmal um Entschuldigung. Dürfte ich bitte den ehrenwerten Iwan Konstantinowitsch sprechen?«
    Eine Frauenstimme antwortete nach einer kurzen Pause: »Er ist gerade nicht da, aber er ist bald zurück.«
    Das bedeutete, daß Drossel in Moskau war und bereit, sich mit ihm zu treffen.
    »Seien Sie so gut und richten Sie Iwan Konstantinowitsch aus, daß Professor Stepanow ihn zu seinem Dreiundsiebzigsten einlädt.«
    »Professor Stepanow?« fragte die Frau verdutzt nach. »Zum Dreiundsiebzigsten?«
    »Jawohl, meine Dame.«
    Die Verbindungsperson mußte nicht verstehen, worum es ging – sie hatte das Gesagte nur exakt auszurichten. In der 73 stand dieerste Ziffer für die Zeit, die zweite für die Nummer eines von mehreren vorher festgelegten Treffpunkten. Drossel würde schon verstehen: Um sieben, am Ort Nummer drei.
     
    Hätte jemand das Gespräch zwischen Rybnikow und dem Mann aus Krasnojarsk belauscht, er hätte kaum etwas verstanden.
    »Wieder Geschäftsbücher?« fragte Tunnel, ein kräftiger Schnauzbart mit stets zusammengekniffenen Augen. »Sie sollten den Preis erhöhen, heuer ist alles teurer geworden.«
    »Nein, keine Bücher.« Rybnikow stand mitten in dem billigen Hotelzimmer und lauschte auf Schritte im Flur. »Eine besondere Fracht. Zu einem besonderen Preis. Anderthalb Tausend.«
    »Wieviel?« Der Schnauzbart ächzte.
    Rybnikow reichte ihm einen Packen Geldscheine.
    »Hier. In Chabarowsk bekommen Sie noch einmal soviel. Wenn Sie alles exakt erledigen.«
    »Dreitausend?«
    Die Brauen des Schnauzbarts zuckten heftig, hoben sich jedoch nicht. Es ist nicht leicht, Augen aufzureißen, welche die Welt gewöhnlich nur durch einen Schlitz betrachten.
    Der Mann, den Rybnikow »Tunnel« getauft hatte, wußte weder etwas von diesem Decknamen, noch ahnte er, was die Leute, die ihn für

Weitere Kostenlose Bücher