Diamantene Kutsche
Arsenal keineswegs für den Transportschutz, sondern für einen Mann mit dem Decknamen Drossel. Nach dem von Rybnikows Vater ausgearbeiteten Plan sollten in Moskau Unruhen ausbrechen, die dem russischen Zaren die Lust auf die Steppen der Mandschurei und die Korea-Konzessionen nehmen würden.
Der weise Planer hatte alles bedacht: Daß die Garde in der Hauptstadt Petersburg stand, während Moskau, die zweite Metropole, nur über eine zusammengestoppelte Reservetruppe verfügte; daß Moskau das Verkehrszentrum des Landes war und daß in der Stadt zweihunderttausend hungernde, verbitterte Arbeiter lebten. Der geringste Anlaß, und die Arbeiterviertel würden von Barrikaden starren.
Rybnikow begann, wie er es von klein auf gelernt hatte, mit dem Schwierigsten.
Zum Rangierbahnhof fuhr er als Stabskapitän. Er stellte sich vor,bekam als Begleitung einen kleinen Beamten von der Abteilung Frachteingang zugeteilt und begab sich zu Gleis drei, um den Rostower Güterzug in Empfang zu nehmen. Der Schreiber fühlte sich unbehaglich neben dem mürrischen Offizier, der ungeduldig mit der Säbelscheide auf den Boden klopfte. Glücklicherweise mußten sie nicht lange warten – der Zug war auf die Minute pünktlich.
Während der Dienstälteste der Wachsoldaten, ein betagter Unteroffizier, noch mit flüsternden Lippen das vom Stabskapitän vorgewiesene Dokument studierte, trafen bereits die von Rybnikow engagierten Fuhrleute einer nach dem anderen ein.
Doch dann gab es eine Stockung – der Halbzug Wachsoldaten zur Begleitung des Transports ließ auf sich warten.
Der Stabskapitän verfluchte die ewige russische Schlamperei und lief zum Telefon. Als er bleich vor Zorn zurückkehrte, ließ er einen derart saftigen Fluch vom Stapel, daß der Schreiber den Kopf einzog, die Wachsoldaten dagegen respektvoll die Köpfe wiegten. Klare Sache: Der Stabskapitän würde keine Wachsoldaten bekommen.
Nachdem er noch eine gehörige Weile getobt hatte, nahm Rybnikow den Unteroffizier am Arm.
»Bruder, wie heißt du gleich – Jekimow, du siehst ja, was das hier für eine Sauerei ist. Komm, hilf mir aus der Patsche! Ich weiß, du hast deinen Dienst erfüllt und bist nicht dazu verpflichtet, aber ohne Bewachung kann ich nicht fahren, und hierlassen geht auch nicht. Ich zeig mich auch erkenntlich: Du kriegst drei Rubel und deine Männer jeder einen.«
Der Unteroffizier sprach mit seinen Soldaten, die ebenso alt und zerknittert waren wie er.
Sie verlangten außer dem Geld noch eine Bescheinigung, daß sie zwei Tage in Moskau Urlaub machen dürften. Rybnikow versprach sie ihnen.
Sie luden auf und fuhren los. Voran der Stabskapitän in einer Droschke, dann die Fuhrwerke mit den Kisten; links und rechts je ein Wachsoldat, am Ende der Prozession der Unteroffizier. Voller Vorfreude auf die versprochene Prämie und den Urlaubsschein, schritten die Soldaten forsch aus, das Drillingsgewehr über der Schulter – Rybnikow hatte sie zu Wachsamkeit gemahnt, der schlitzäugige Feind schlafe nicht.
Rybnikow hatte einen Lagerschuppen an der Moskwa gemietet. Die Fuhrleute trugen die Fracht hinein, kassierten ihren Lohn und fuhren ab.
Rybnikow steckte die erhaltene Quittung ordentlich weg und ging zu den Rostower Wachsoldaten.
»Danke für den Freundschaftsdienst, Jungs. Ich rechne gleich mit euch ab, versprochen ist versprochen.«
Vor dem Lagerschuppen und am Ufer war kein Mensch, unten plätscherte das buntschillernde, ölfleckige Wasser.
»Wo ist denn die Wache, Euer Wohlgeboren?« fragte Jekimow und blickte sich um. »Ist ja merkwürdig. Ein Waffenlager und keine Wache.«
Anstelle einer Antwort stieß Rybnikow ihm seinen stahlharten Finger in die Kehle. Dann drehte er sich zu den Soldaten um. Der eine wollte dem anderen gerade Tabak auf ein Papirossapapier schütten und erstarrte mit offenem Mund, der Machorka landete nicht auf dem Papier, sondern fiel daneben. Dem ersten versetzte Rybnikow einen Schlag mit der Rechten, dem zweiten einen mit der Linken. Das Ganze ging sehr schnell: Noch bevor der Körper des Unteroffiziers auf dem Boden landete, waren seine beiden Untergebenen bereits tot.
Die Leichen warf Rybnikow vom Bootsteg, nachdem er jede mit einem großen Stein beschwert hatte.
Dann nahm er die Mütze ab und wischte sich den Schweiß von der Stirn.
Na also, erst halb elf, und der schwierigste Teil der Arbeit war schon erledigt.
Die Abholung der Fracht war eine Sache von zehn Minuten. Auf dem Güterbahnhof erschien Rybnikow in
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