Diamantene Kutsche
Kabine. Das werfe ich in den Ofen, und alles explodiert! Das wird ein Feuerwerk!«
Er lachte dröhnend.
»Am siebten Pfeiler«, warf Rybnikow sanft ein. »Das ist sehr wichtig. Sonst klappt es womöglich nicht. Am siebten, nicht verwechseln!«
»Das verwechsle ich nicht! Übermorgen trete ich meine Schicht an. Der Güterzug nach Tscheljabinsk. Dem Lokführer geschieht das ganz recht, der macht sich dauernd über meinen Husten lustig und sagt dürrer Hering zu mir. Bloß um den Heizer tut’s mir leid. Aber ich werd den Jungen vorher raussetzen. Auf der letzten Station verletz ich ihn mit der Schaufel an der Hand und sag: Laß nur, ich schippe die Kohlen selber rein. Und unsere Abmachung?« fragte er plötzlich besorgt. »Haben Sie unsere Abmachung auch nicht vergessen?«
»Wie könnte ich!« Rybnikow legte die Hand aufs Herz. »Wir denken daran. Zehntausend. Werden exakt übergeben, genau nach Ihren Anweisungen.«
»Nein, nicht übergeben, sondern zukommen lassen!« rief der Schwindsüchtige erregt. »Und eine Nachricht: ›Zur Erinnerung an etwas, das unerfüllt blieb.‹ Ich werde es selbst schreiben, Sie bringen es nur durcheinander!«
Und schon schrieb er, daß die Tinte spritzte.
»Sie wird schon verstehen … Und wenn nicht – um so besser«, murmelte er und schniefte. »Hier, nehmen Sie.«
»Aber denken Sie daran: Das Geld und den Brief bekommt diePerson, an der Ihnen so viel liegt, nur in einem Fall – wenn die Brücke einstürzt. Verzählen Sie sich nicht: am siebten Pfeiler.«
»Keine Sorge.« Der Samarer wischte sich mürrisch eine Träne von der Wimper. »Wenn mich die Schwindsucht eines gelehrt hat, dann Exaktheit – ich nehme meine Pillen pünktlich nach der Uhr ein. Hauptsache, Sie betrügen mich nicht. Geben Sie mir Ihr Ehrenwort als Samurai.«
Rybnikow reckte sich, legte die Stirn in Falten und kniff die Augen zusammen. Dann improvisierte er aus dem Stand eine pathetische Geste und sagte feierlich: »Mein Ehrenwort als Samurai.«
Das wichtigste Tête-à-tête war für sieben Uhr abends festgesetzt, in einer Kutscherkneipe am Kalugaer Tor (der erwähnte Ort Nummer 3).
Der Ort war mit Bedacht gewählt: Dunkel, schmuddelig, laut, aber kein Gekreisch. Hier wurden keine starken Getränke konsumiert, sondern Tee, in großen Mengen, ganze Samoware voll. Die Kutscher waren gesittet und nicht neugierig – sie bekamen den Tag über genug zu sehen an Fahrgästen und Straßengewühl und genossen nun ihre Ruhe und ein vernünftiges Gespräch.
Rybnikow erschien zehn Minuten verspätet und steuerte sogleich auf einen Ecktisch zu, an dem ein kräftiger bärtiger Mann mit unbewegtem Gesicht und lebhaften, keinen Augenblick ruhenden Augen saß.
Eine ganze Stunde lang hatte Rybnikow die Schenkentür vom Nachbareingang aus beobachtet und Drossel bereits ankommen sehen. Als er sich überzeugt hatte, daß dieser nicht beschattet wurde, war er hineingegangen.
»Meine Verehrung, Kusmitsch!« rief er schon von weitem, eine Hand mit gespreizten Fingern erhoben. Drossel hatte ihn noch nie gesehen, doch sie mußten so tun, als seien sie alte Bekannte.
Der Revolutionär war nicht im geringsten erstaunt und antworteteim selben Ton: »Ah, Mustafa! Setz dich, alte Tatarenfresse, trink einen Tee mit mir.«
Er drückte ihm fest die Hand und klopfte ihm obendrein auf die Schulter.
Sie setzten sich.
Am Nebentisch trank eine große Gesellschaft bedächtig Tee und aß Hörnchen dazu. Die Männer warfen einen gleichgültigen Blick auf die beiden Freunde und wandten sich wieder ab.
»Werden Sie auch nicht überwacht?« fragte Rybnikow leise. »Sind Sie sicher, daß es in Ihrer Umgebung keine Polizeispitzel gibt?«
Drossel antwortete gelassen: »Natürlich werde ich überwacht. Und einen Provokateur gibt’s auch. Aber wir rühren ihn vorerst nicht an, den Judas. Besser, wir wissen, wer es ist, sonst schieben sie uns bloß einen neuen unter, und ehe wir den wieder enttarnt haben …«
»Sie werden überwacht?« Rybnikow straffte sich und warf einen raschen Blick zur Theke – dahinter gab es eine Tür zum Durchgangshof.
»Na und, was ist schon dabei?« Der Sozialrevolutionär zuckte die Achseln. »Sollen sie mich ruhig überwachen, solange es mich nicht stört. Wenn sie lästig werden, kann ich sie jederzeit abhängen, kein Problem. Also keine Bange, tapferer Samurai. Heute bin ich sauber.«
Zum zweitenmal an diesem Tag wurde Rybnikow als Samurai angesprochen, diesmal allerdings mit unverhohlenem
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