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Diamantene Kutsche

Diamantene Kutsche

Titel: Diamantene Kutsche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Akunin
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Spott.
    »Sie sind doch Japaner, oder?« fragte der Empfänger des Transports, biß krachend auf ein Stück Zucker und schlürfte dazu geräuschvoll Tee. »Ich hab gelesen, manche Samurai sehen aus wie Europäer.«
    »Samurai oder nicht – was zum Teufel spielt das für eine Rolle?« sagte Rybnikow lässig, im gleichen Ton wie sein Gegenüber.
    »Das ist wahr. Kommen wir zur Sache. Wo ist die Ware?«
    »Ich habe sie in einen Lagerschuppen am Fluß gebracht, wie Sie gebeten hatten. Wozu eigentlich am Fluß?«
    »Das ist nötig. Wo genau?«
    »Das zeige ich Ihnen dann.«
    »Wer außer Ihnen weiß davon? Verladen, Transport, Wache – das ist schließlich ein ganzes Unternehmen. Sind die Leute zuverlässig? Können sie ihre Zunge im Zaum halten?«
    »Sie werden stumm sein wie die Fische«, erwiderte Rybnikow ernst. »Dafür hafte ich mit meinem Kopf. Wann werden Sie die Ware abholen können?«
    Drossel kratzte sich den Bart.
    »Einen kleinen Teil davon wollen wir nach Sormowo schicken, die Oka hinunter. Morgen kommt ein Lastkahn von dort. Dann holen wir die Ware ab.«
    »Sormowo?« Rybnikow kniff die Augen zusammen. »Das ist gut. Eine richtige Entscheidung. Wie sieht Ihr Aktionsplan aus?«
    »Wir beginnen mit Streiks bei der Eisenbahn. Dann Generalstreik. Und wenn der Regierung die Nerven durchgehen und sie Kosaken auf uns hetzt oder ein bißchen schießt, dann sind unsere Kampfbrigaden da. Diesmal verzichten wir auf Pflastersteine, die Waffe des Proletariats.«
    »Wann fangen Sie an?« erkundigte sich Rybnikow beiläufig. »Es sollte spätestens in einem Monat geschehen.«
    Das steinerne Gesicht des Revolutionärs verzog sich zu einem spöttischen Grinsen.
    »Geht euch die Luft aus, Söhne des Mikado? Kommt ihr ins Japsen?«
    Ein Lachen klang durch den Raum, und Rybnikow zuckte überrascht zusammen – hatte sie etwa jemand gehört?
    Er drehte sich mit einem Ruck um, beruhigte sich aber gleich wieder.
    Es waren nur zwei stark angeheiterte graubärtige Kutscher in die Schenke gekommen. Der eine hatte sich nicht mehr auf den Beinen halten können und war umgefallen, der zweite half ihm aufstehen und redete dabei auf ihn ein: »Macht nichts, Mitjucha, selbst ein Pferd stolpert manchmal, und das hat vier Beine.«
    Von einem der Tische rief jemand: »So ein Pferd gehört zum Abdecker!«
    Die Gäste lachten.
    Mitjucha beschimpfte die Spötter, doch schon waren zwei Schankdiener zur Stelle und warfen die beiden betrunkenen Kutscher raus – damit sie das solide Haus nicht in Verruf brachten.
    »Ach, Mütterchen Rußland!« Wieder lachte Drossel spöttisch. »Na, wir werden es bald so schütteln, daß es aus den Hosen fällt.«
    »Und dann galoppiert es mit nacktem Arsch in die Zukunft?«
    Der Revolutionär sah seinem Gegenüber aufmerksam in die Augen.
    Das hätte ich nicht sagen sollen, begriff Rybnikow, das ging zu weit.
    Ein paar Sekunden erwiderte er den Blick, dann tat er, als könne er ihm nicht standhalten, und wandte die Augen ab.
    »Uns beide verbindet nur eins«, sagte der Sozialrevolutionär verächtlich. »Das Fehlen bürgerlicher Sentiments. Aber mit einem Unterschied: Wir Revolutionäre haben keine mehr, wir haben sie abgeworfen, ihr jungen Räuber dagegen habt noch keine, ihr seid noch nicht reif dafür. Ihr benutzt uns, und wir benutzen euch, aber glauben Sie mir, Herr Samurai, wir sind ein ungleiches Paar. Sie sind lediglich ein Schräubchen in der Maschine, ich dagegen bin ein Architekt des Morgigen Tages, klar?«
    Er ist wie eine Katze, dachte Rybnikow. Läßt sich füttern, leckt einem aber nicht die Hand – bestenfalls schnurrt er mal, aber auch das kaum.
    Er mußte auf den Ton eingehen, ohne die Konfrontation zu vertiefen.
    »Na schön, Herr Architekt, zum Teufel mit der Lyrik. Besprechen wir die Details.«
     
    Drossel verschwand auch wie eine Katze, ohne sich zu verabschieden.
    Als alles Nötige geklärt war, stand er einfach auf und schlüpfte durch die Tür hinterm Tresen. Rybnikow überließ er es, auf die Straße hinaus zu gehen.
    Vor der Schenke dösten in Erwartung von Kundschaft Kutscher auf ihren Böcken, ganz vorn die beiden Trunkenbolde. Der erste war vollkommen zusammengesackt und schnarchte, die Nase auf den Knien. Der zweite hielt sich noch einigermaßen aufrecht, knallte sogar mit der Peitsche, als er Rybnikow entdeckte.
    Aber vor der Schenke in eine Droschke zu steigen verstieß gegen die Regeln der Konspiration. Rybnikow ging ein Stück weiter und hielt eine zufällig vorbeifahrende

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