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Diamantene Kutsche

Diamantene Kutsche

Titel: Diamantene Kutsche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Akunin
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seine Dienste so großzügig bezahlten, in Wirklichkeit trieben. Er war überzeugt, illegalen Goldgräbern zu helfen. Laut »Gesetz über das private Goldschürfen« mußten Goldgräberartels ihre gesamte Ausbeute an den Staat abliefern, wofür sie sogenannte »Assignaten« erhielten, und zwar unter Marktwert und obendrein mit diversen Abzügen. Doch wenn ein Gesetz ungerecht oder unvernünftig ist, finden sich immer Wege, es zu umgehen.
    Tunnel hatte einen für die Organisation äußerst nützlichen Posten – er begleitete die Postwaggons auf der Transsib. Wenn er Hefte mit Zahlenreihen aus dem europäischen Teil des Landes inden Fernen Osten und zurückbrachte, nahm er an, es handele sich um den Austausch von Finanzinformationen zwischen illegalen Goldgräbern und Händlern.
    Doch Rybnikow hatte den Postmann zu einem anderen Zweck aus seinem Notizbuch gefischt.
    »Ja, dreitausend«, sagte er fest. »Soviel Geld zahlt keiner umsonst, das wissen Sie.«
    »Was soll ich transportieren?« fragte Tunnel und leckte sich die vor Aufregung ganz trockenen Lippen.
    Rybnikow sagte knapp: »Sprengstoff. Drei Pud.«
    Der Postmann überlegte, heftig zwinkernd. Dann nickte er.
    »Für eine Goldgrube? Um eine Ader zu sprengen?«
    »Ja. Packen Sie die Kisten in Leinen, wie Pakete. Kennen Sie den Tunnel Nummer 12 an der Baikalstrecke?«
    »Den Polowinny 3 ? Klar, den kennt doch jeder.«
    »Sie werfen die Kisten genau in der Mitte ab, am Kilometer 197. Dort holen unsere Leute sie ab.«
    »Aber – geht das Zeug auch nicht hoch?«
    Rybnikow lachte.
    »Man sieht, Sie verstehen nichts von Sprengstoff. Haben Sie noch nie etwas von Zündern gehört? Sie sind gut – hochgehen!«
    Zufrieden mit der Antwort, leckte Tunnel sich die Finger, um das Geld zu zählen, und Rybnikow lächelte im stillen: Und wie das hochgeht, es wird ganz gewaltig krachen, und zwar so, daß das Winterpalais ins Wanken gerät. Sie werden Mühe haben, den Geröllhaufen wegzuräumen und die plattgequetschten Waggons samt Lok auszubuddeln.
    Die Baikalstrecke, mit enormen Kosten gebaut und erst kürzlich vorzeitig in Betrieb genommen, war das letzte Glied der Transsib. Früher hatten die Züge lange vor der Fähre über den Baikalsee Schlange gestanden, nun aber pulsierte die Trasse mit dreifacherGeschwindigkeit. Die Beschädigung des Tunnels, des längsten Tunnels auf der ganzen Strecke, würde die Mandschurei-Armee erneut auf Hungerration setzen.
    Und das war erst die Hälfte von Rybnikows Projekt.
     
    Die zweite Hälfte sollte der Logiergast des »Kasan« erledigen, mit dem Rybnikow ganz anders redete – nicht schroff und knapp, sondern herzlich und mit verhaltenem Mitgefühl.
    Der noch sehr junge Mann mit dem erdigen Teint und dem hervortretenden Kehlkopf wirkte sonderbar: Das feingeschnittene Gesicht, die nervösen Gesten und die Brille paßten schlecht zur abgewetzten Joppe, dem Kattunhemd und den groben Stiefeln.
    Der Samarer spuckte Blut und war unglücklich verliebt. Deshalb haßte er die ganze Welt, besonders seine nähere Umgebung: Die Menschen um sich herum, seine Heimatstadt, sein Land. Vor ihm brauchte Rybnikow kein Blatt vor den Mund zu nehmen – Brücke wußte, für wen er arbeitete, und erfüllte seine Aufträge mit lüsterner Rachsucht.
    Vor einem halben Jahr hatte er im Auftrag der Organisation sein Studium aufgegeben und als Lokführergehilfe bei der Eisenbahn angefangen. Die Hitze der Feuerung zerfraß den letzten Rest seiner Lungen, aber Brücke klammerte sich nicht an das Leben, er wollte möglichst bald sterben.
    »Sie haben unserem Mann gesagt, Sie möchten gern mit einem Knall sterben. Ich biete Ihnen diese Möglichkeit«, sagte Rybnikow mit volltönender Stimme. »Diesen Knall wird ganz Rußland hören, ja, die ganze Welt.«
    »Reden Sie, reden Sie«, drängte der Schwindsüchtige.
    »Die Alexander-Brücke in Sysran.« Rybnikow machte eine bedeutungsvolle Pause. »Die längste in ganz Europa, siebenhundert Sashen. Wenn die in die Wolga stürzt, ist die Bahnlinie lahmgelegt. Begreifen Sie, was das bedeutet?«
    Der Mann mit dem Decknamen Brücke lächelte zögernd.
    »Ja. Ja. Das ist der Zusammenbruch, die Niederlage, eine Schande. Die Kapitulation! Ihr Japaner wißt, wo ihr zuschlagen müßt! Ihr verdient den Sieg!« Die Augen des Exstudenten funkelten, mit jedem Wort sprach er hastiger. »Das ist machbar! Das kann ich tun! Haben Sie einen starken Sprengstoff? Ich verstecke ihn im Tender, unter der Kohle. Ein Paket nehme ich mit in die

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