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Diamantene Kutsche

Diamantene Kutsche

Titel: Diamantene Kutsche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Akunin
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vorbereitet worden, nämlich in knapp drei Tagen.
    In der Depesche vom 18. Mai, über die der erfahrene Polizeitelegrafist so verblüfft war, hatte Fandorin seinem Vorgesetzten geschrieben: »Bitte sofort Prinzenhunde zusammenholen. Einzelheiten später.«
    Fandorin war ein glühender Anhänger und sogar Mitinitiator des
    Polizeieinsatzes von Hunden nach europäischem Vorbild. Die Sache war neu und noch wenig erprobt, aber dennoch sofort breit angelegt worden.
    Um einen guten Hund auf einen bestimmten Geruch abzurichten, genügten einige Stunden. Nachdem das Labor der Artillerieverwaltung die nötige Menge Schimosa zur Verfügung gestellt hatte, begann die Arbeit: Vierundfünfzig Polizeitrainer stießen ihre zottigen Assistenten mit der Schnauze in das gelbe Pulver, tadelten und lobten, anhaltendes Gebell ertönte, und schließlich krachten Zuckerstückchen in Hundefängen.
    Das Melinit hatte einen scharfen, intensiven Geruch, den die Spürhunde selbst unter Säcken mit Drogeriewaren mühelos erkannten. Nach dem kurzen Lehrgang gingen die Zöglinge Seiner Hoheit auf Dienstreise: achtundzwanzig Hunde an die Westgrenze, je zwei an jeden der Kontrollpunkte, die übrigen mit dem Sonderzug nach Moskau, zur Verfügung von Ingenieur Fandorin.
    Tag und Nacht, in zwei Schichten, liefen die verkleideten Hundeführer mit ihren Schützlingen Waggons und Lagerhäuser sämtlicher Eisenbahnstrecken der altehrwürdigen Metropole ab. Mylnikow glaubte zwar nicht an Fandorins Unternehmung, mischtesich jedoch nicht ein – er beobachtete das Ganze von außen. Eigene Ideen zur Ergreifung der japanischen Agenten hatte der Hofrat ohnehin nicht.
    Am fünften Tag ging in dem Büro, in dem Fandorin gerade die mit roten Kreuzen markierten empfindlichsten Punkte der Transsib studierte, endlich der langersehnte Anruf ein.
    »Wir haben es!« rief eine aufgeregte, von Bellen übertönte Stimme in den Hörer. »Herr Ingenieur, ich glaube, wir haben was! Hier spricht Hundeführer Tschurikow, vom Moskauer Güterbahnhof an der Brester Strecke! Ich habe nichts angerührt, wie Sie befohlen haben!«
    Fandorin rief unverzüglich Mylnikow an.
    Fast gleichzeitig trafen sie auf dem Güterbahnhof ein.
    Hundeführer Tschurikow stellte seinen Vorgesetzten die Heldin des Tages vor, eine belgische Groenendal-Schäferhündin: Reseda.
    Reseda schnüffelte an Fandorins Stiefelette und wedelte mit dem Schwanz. Gegen Mylnikow bleckte sie die Zähne.
    »Nehmen Sie es ihr nicht übel, sie ist trächtig« sagte Tschurikow rasch. »Dafür ist ihr Geruchssinn besonders geschärft.«
    »Na, nun zeigen Sie mal, was Sie da gefunden haben!« verlangte der Hofrat ungeduldig.
    »Kommen Sie mit, sehen Sie selbst.«
    Tschurikow zog an der Leine, und die Hündin trottete widerwillig zum Lagerschuppen, wobei sie sich immer wieder nach Fandorin umsah. Vor der Tür bockte sie, legte sich sogar hin, um zu demonstrieren, daß sie kein Eile hatte. Schaute die Menschen an – ob sie mit ihr schimpfen würden.
    »Sie ist launisch.« Der Trainer seufzte. Er hockte sich vor sie, streichelte ihren angeschwollenen Bauch und flüsterte ihr etwas ins Ohr.
    Reseda stand gnädig auf und begab sich zu den gestapelten Kisten und Säcken.
    »Da, passen Sie auf!« Tschurikow streckte die Hand aus.
    »Worauf denn?«
    »Auf Schwanz und Ohren!«
    Resedas Schwanz und Ohren hingen herab. Langsam schritt sie eine Reihe ab, dann die zweite. In der Mitte der dritten richteten sich die Ohren plötzlich steil auf, auch der Schwanz schnellte in die Höhe, um gleich wieder herabzusinken und zwischen den Hinterpfoten eingeklemmt zu verharren. Die Fährtenhündin setzte sich hin und bellte vier akkurate Jutesäcke mittlerer Größe an.
    Die Fracht stammte aus Frankreich, war mit dem Frühzug aus Nowgorod eingetroffen und für die Brotbäckerei »Werner und Pfleiderer« bestimmt. Die Säcke enthielten ein gelbes Pulver, das auf den Fingern einen charakteristischen öligen Glanz hinterließ. Kein Zweifel: Melinit.
    »Es hat die Grenze passiert, bevor die Hunde dort eintrafen«, konstatierte Fandorin anhand der Frachtpapiere. »Na dann, Mylnikow, an die Arbeit.«
     
    Sie beschlossen, die Sache selbst in die Hand zu nehmen, ohne Agenten. Fandorin verkleidete sich als Eisenbahner, Mylnikow als Packer. Sie bezogen Stellung im benachbarten Speicherhaus, von wo aus der Lagerschuppen und sämtliche Zugänge gut einzusehen waren.
    Der Empfänger erschien um 11.55 Uhr.
    Ein untersetzter Mann, der aussah wie ein Kommis, wies

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