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Diamantene Kutsche

Diamantene Kutsche

Titel: Diamantene Kutsche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Akunin
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hatte, tat er, als könne er sich nicht mehr auf den Beinen halten, und stürzte zu Boden. Er flüsterte Fandorin, der sich über ihn beugte, zu: »Er sitzt mit Lagin zusammen. Deckname Drossel. Sozialrevolutionär. Gemeingefährlich. Ein starkes Stück …«
    Das Wichtigste war erkundet, darum blieben sie nicht unnötig lange in der Schenke und ließen sich auf die Straße hinauswerfen.
    Sie beorderten vier Agenten zum Hinterausgang und besprachen rasch die beunruhigende Entdeckung.
    »Unsere Auslandsagenten melden, daß Oberst Akashi, der oberste japanische Resident, sich mit politischen Agenten trifft und große Partien Waffen kauft«, flüsterte Mylnikow vom Kutschbock herab. »Aber das ist weit weg, in Paris und London, hier dagegen ist unser trautes Moskau. Sollte uns das entgangen sein? Wenn unsere Hungerleider japanische Gewehre in die Hände kriegen, dann gute Nacht …«
    Fandorin hörte mit zusammengebissenen Zähnen zu. Diese in der Geschichte der europäischen Kriege einmalige Intervention – die Förderung einer Revolution im Hinterland des Feindes – war hundertmal gefährlicher als jede Eisenbahnsprengung. Eine Bedrohung nicht nur für den Ausgang des Feldzuges, sondern für das Schicksal des gesamten Russischen Staates. Die Krieger des Yamato-Landes verstanden etwas von echtem Krieg: Dabei war kein Mittel unerlaubt, da gab es nur Sieg oder Niederlage. Wie sehr sich die Japaner in einem Vierteljahrhundert verändert hatten!
    »Sch … Asiaten!« fluchte Mylnikow, als hätte er Fandorins Gedankenbelauscht. »Denen ist nichts heilig! Und mit denen soll man nun kämpfen!«
    Aber hat nicht Andrej Bolkonski vor der Schlacht von Borodino über genau dasselbe gesprochen, wandte Fandorin ein – natürlich nicht laut, sondern in Gedanken. Rittertum und Krieg nach Regeln, das ist absurd und dumm, behauptete einer der sympathischsten Helden der russischen Literatur. Gefangene sind zu töten, verhandelt wird nicht. Keinerlei Großmut. Krieg ist kein Spiel.
    Trotzdem siegt letztlich derjenige, der Großmut walten läßt, dachte Fandorin, konnte aber seinen paradoxen Gedanken nicht zu Ende bringen – der am Eingang postierte Agent gab ein Zeichen, und er mußte rasch auf den Kutschbock klettern.
    Der Kommis kam allein heraus. Er warf einen Blick auf die Droschken (die allesamt von der Geheimpolizei waren), stieg jedoch nirgends ein. Er ging ein Stück weiter und hielt eine vorbeifahrende Droschke an – die selbstverständlich ebenfalls falsch war.
    Dennoch war Mylnikows ganze List schließlich vergebens. Das Zielobjekt verschwand auf unbegreifliche Weise aus der Droschke. Der Agent, der den Kutscher spielte, hatte nicht bemerkt, wie und wann das geschehen war: Eben noch hatte der Fahrgast auf seinem Platz gesessen, und im nächsten Moment war er fort, auf dem Sitz lag wie zum Hohn nur ein zerknitterter Rubelschein.
    Das war ärgerlich, aber nicht fatal.
    Erstens hatten sie diesen Sozialrevolutionär Drossel, und in dessen näherer Umgebung hatte die Geheimpolizei einen Agenten. Zweitens waren um die Gepäckaufbewahrung herum Leute postiert, auf die Fandorin besonders hoffte, da er dies ohne Mylnikow organisiert hatte, mit Kräften der Eisenbahngendarmerie.
    Der Gepäckdiener war genau instruiert: Sobald der »Kommis« auftauchte oder jemand anders, der die betreffenden Quittungen vorlegte, sollte er einen eigens installierten Knopf drücken. Daraufhin würde im Nebenraum, in dem sich einige Männerbereithielten, eine Lampe angehen, der Chef unverzüglich Fandorin anrufen und dann je nach Befehl denjenigen entweder verhaften oder ihn bis zum Eintreffen der Agenten in Zivil heimlich (durch ein Guckloch) beobachten, während der Gepäckdiener dafür sorgte, daß die Aushändigung der Fracht nicht zu rasch vonstatten ging.
    »Jetzt haben wir ihn, den schlitzäugigen Makaken«, resümierte Mylnikow und ballte die Faust.
    Siebte Silbe,
in welcher sich herausstellt, daß nicht jeder Russe
Puschkin liebt
    In den wenigen Tagen bis zum 25. Mai hatte sich in Rybnikows Moskauer Leben eine Episode ereignet, die im Vergleich zu den folgenden Ereignissen bedeutungslos scheinen mag, die zu unterschlagen jedoch unredlich wäre.
    Sie geschah in der Zeit, da der flüchtige Stabskapitän unter seiner Untätigkeit litt und deshalb, wie bereits erwähnt, sogar einige Dinge tat, die gar nicht seine Art waren.
    In einem dieser müßigen Momente besuchte er das Adreßbüro in der Gnesdnikowski-Gasse, um Erkundigungen über eine ihn

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