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Diamantene Kutsche

Diamantene Kutsche

Titel: Diamantene Kutsche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Akunin
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interessierende Person einzuholen.
    Rybnikow dachte nicht daran, sich ein Auskunftsformular für zwei Kopeken zu kaufen, statt dessen offenbarte er gewisse Kenntnisse der Psychologie und knüpfte ein vertrauensvolles Gespräch mit dem Schreiber an. Er erklärte, er suche einen alten Kollegen seines seligen Vaters. Er habe ihn vor langer Zeit aus den Augen verloren, wisse durchaus um die Schwierigkeit der Aufgabe und sei bereit, die aufwendige Arbeit nach einem Sondertarif zu vergüten.
    »Ohne Quittung?« fragte der Angestellte, wobei er sich leicht über den Tresen beugte und sich vergewisserte, daß keine weiteren Besucher anwesend waren.
    »Selbstverständlich. Was soll ich damit?« Die gelbbraunen Augen blickten bittend, die Finger wedelten wie unabsichtlich mit der recht dicken Brieftasche. »Allerdings lebt der Mann vermutlich inzwischen nicht mehr in Moskau.«
    »Das macht nichts, mein Herr. Da Sie einen Sondertarif zahlen, macht das nichts. Wenn Ihr Bekannter noch in Staatsdiensten steht, so habe ich Listen über alle Behörden. Wenn er allerdings im Ruhestand ist, ja, dann wird es natürlich schwierig …«
    »Er dient noch, ganz gewiß!« versicherte Rybnikow dem Schreiber. »Und er hat einen hohen Rang. Ist vielleicht sogar General. Mein Vater und er dienten beim diplomatischen Korps, und davor war er, wie ich hörte, entweder beim Polizeidepartement oder beim Gendarmeriekorps. Womöglich ist er in seinen früheren Dienst zurückgekehrt?« Er legte diskret zwei Rubelscheine auf den Tresen.
    Der Schreiber nahm das Geld und sagte fröhlich: »Das geschieht oft, daß jemand von den Diplomaten wieder zu den Gendarmen geht und dann wieder zurück. Das bringt der Dienst so mit sich. Wie heißt er denn? Und wie alt ist er?«
    »Erast Petrowitsch Fan-do-rin. Er müßte jetzt achtundvierzig oder neunundvierzig sein. Ich habe Informationen, daß er in Sankt Petersburg leben soll, aber das ist nicht sicher.«
    Der Herr über die Adressen wühlte lange in dicken, zerfledderten Büchern. Zwischendurch teilte er mit: »Im Außenministerium ist er nicht … Im Stab des Gendarmeriekorps auch nicht … Bei der Gouvernementgendarmerie nicht … Bei der Eisenbahngendarmerie nicht … Im Innenministerium … Ein Ferendjukin, Fedul Charitonowitsch, Chef der Asservatenkammer der Kriminalpolizei. Ist er das?«
    Rybnikow schüttelte den Kopf.
    »Vielleicht schauen Sie mal in Moskau nach? Ich erinnere mich, Herr Fandorin stammte aus Moskau und hat lange hier gelebt.«
    Er legte noch einen Rubel hin, doch der Beamte schüttelte würdevoll den Kopf. »Eine Auskunft innerhalb von Moskau kostet zwei Kopeken. Das ist meine unmittelbare Pflicht, dafür nehme ich nichts, mein Herr. Außerdem ist es eine Sache von einer Minute.« Tatsächlich verkündete er kurz darauf: »Nein, ein Herr dieses Namens wohnt nicht hier und ist hier nicht in Staatsdiensten. Ich könnte natürlich in früheren Jahren nachschauen, aber nur ausnahmsweise …«
    »Fünfzig Kopeken pro Jahr«, sagte der verständige Besucher – Leute wie er waren eine reine Freude.
    Diesmal dauerte die Suche länger. Der Beamte nahm sich Jahr für Jahr vor, ging vom zwanzigsten Jahrhundert zurück ins neunzehnte und wühlte sich immer tiefer in das Dickicht der Vergangenheit.
    Rybnikow hatte sich bereits mit einem Mißerfolg abgefunden, als der Schreiber plötzlich ausrief: »Ich hab ihn! Hier, im Adreßbuch von 1891! Das macht … Äh-äh-äh – sieben Rubel!« Dann las er vor: »›E. P. Fandorin, Staatsrat, S. Beauftr. des Mosk. Gen.-Gouv. Malaja Nikitskaja, Flüg. im Haus von Bar. Ewert-Kolokolzew.‹ Nun, wenn Ihr Bekannter schon vor 14 Jahren einen so hohen Rang bekleidete, dann müßte er inzwischen bereits Exzellenz sein. Merkwürdig, daß er in den Ministeriallisten nicht auftaucht.«
    »Ja, merkwürdig«, bestätigte Rybnikow, während er zerstreut rote Scheine aus seiner Brieftasche abzählte.
    »Im Polizeidepartement oder bei der Gendarmerie, sagten Sie?« Der Beamte kniff listig die Augen zusammen. »Sie wissen ja, wie es dort ist: Jemand dient dort, sogar in allerhöchstem Rang, aber für die Öffentlichkeit ist er sozusagen nicht vorhanden.«
    Der Besucher klapperte mit den Augendeckeln und sagte lebhaft:»In der Tat. Mein Vater erzählte, Erast Petrowitsch habe in der Botschaft zur Geheimabteilung gehört!«
    »Na, sehen Sie. Aber wissen Sie was … Mein Vetter dient hier nebenan in der Malaja Gnesdikowskaja, auf dem Polizeitelegrafenamt. Er ist seit zwanzig

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