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Diamantene Kutsche

Diamantene Kutsche

Titel: Diamantene Kutsche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Akunin
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nicht gesprengt haben? Oder den Tunnel?« fragte Fandorin rasch, den Blick auf das todbringende Päckchen gerichtet.
    »Eine Brücke, die Alexander-Brücke. Woher wissen Sie das? Aber das ist ja auch egal. Ja, der Samurai wird nicht zahlen. Ich sterbe umsonst.«
    »Das heißt, Sie tun das alles ihretwegen, wegen der zehntausend Rubel?«
    Der junge Mann schüttelte den Kopf.
    »Nicht nur. Ich will mich an Rußland rächen. Ein abscheuliches Land, abscheulich!«
    Fandorin setzte sich auf eine Bank, schlug die Beine übereinander und zuckte die Achseln.
    »Großen Schaden können Sie Rußland nun nicht zufügen. Na schön, Sie jagen einen Waggon in die Luft. Töten und verletzen vierzig arme Reisende dritter Klasse, aber Ihre Herzensdame wird weiter in Samara verkümmern.« Er verstummte, um dem jungen Mann Gelegenheit zum Nachdenken zu geben, und sagte dann energisch: »Ich habe eine bessere Idee. Sie geben mir den Sprengstoff, und dann bekommt das Mädchen, das Sie lieben, die zehntausend Rubel. Rußland aber überlassen Sie lieber seinem eigenen Schicksal.«
    »Sie werden mich ja doch betrügen«, flüsterte der Schwindsüchtige.
    »Nein. Ich gebe Ihnen mein Ehrenwort«, sagte Fandorin in einem Ton, der keinen Zweifel ließ. Auf die Wangen des Bombenlegers traten rote Flecke.
    »Ich will nicht im Gefängniskrankenhaus sterben. Lieber hier und jetzt.«
    »Wie es Ihnen beliebt«, sagte Fandorin leise.
    »Gut. Ich schreibe noch eine Nachricht für sie.«
    Der junge Mann zog einen Notizblock aus der Tasche und kritzelte mit dem Bleistift fieberhaft etwas hinein. Das Päckchen mit der Bombe lag nun auf der Bank, und Fandorin hätte es mühelos an sich nehmen können, doch er rührte sich nicht von der Stelle.
    »Aber bitte kurz«, bat er. »Für die armen Reisenden ist jede Sekunde eine Qual. Womöglich trifft noch jemanden der Schlag.«
    »Ja, ja, gleich ….«
    Als er fertig war, faltete er das Blatt sorgfältig zusammen und gab es Fandorin.
    »Name und Adresse habe ich aufgeschrieben.«
    Jetzt erst griff Fandorin nach der Mine und reichte sie den Gendarmen aus dem Fenster. Dann folgten auch die übrigen sieben: Der Schwindsüchtige nahm sie vorsichtig in die Hand, übergab sie Fandorin, und der reichte sie weiter.
    »Und nun gehen Sie bitte hinaus«, sagte der Todeskandidat und entsicherte seine Pistole. »Und denken Sie daran: Sie haben Ihr Ehrenwort gegeben.«
    Fandorin blickte in die hellblauen Augen des Jungen, begriff, daß jeder Überredungsversuch sinnlos war, und ging zur Tür.
    Fast im selben Moment fiel hinter ihm ein Schuß.
     
    Nach Hause kehrte Fandorin erst am Ende des Tages zurück, müde und traurig. In Moskau auf dem Bahnhof erreichte ihn ein Telegrammaus Petersburg: »Ende gut alles gut aber wir brauchen den Japaner die Zehntausend sind hoffentlich ein Scherz.«
    Das bedeutete, daß Fandorin das Geld für die
Belle Dame sans merci
aus Samara aus eigener Tasche bezahlen mußte, aber nicht deswegen war er traurig – der Selbstmörder mit seiner Liebe und seinem Haß ging ihm nicht aus dem Sinn. Außerdem kreisten seine Gedanken immer wieder um den Mann, der es verstand, aus fremdem Unglück praktischen Nutzen zu ziehen.
    Von dem verhafteten Postmann war über diesen Mann wenig zu erfahren. Eigentlich gar nichts Neues. Wo der Erfindungsreiche zu suchen war, blieb unklar. Noch schwieriger war, vorauszusagen, wo genau er als nächstes zuschlagen würde.
    An der Tür seiner Dienstwohnung wurde Fandorin von seinem Kammerdiener empfangen. Heute war Masa die Neutralität besonders schwergefallen. Die ganze Zeit, während sein Herr abwesend war, hatte er Sutren gesprochen und sogar versucht, vor einer Ikone zu beten, nun aber war er die Gleichmut in Person. Er streifte Fandorin mit einem kurzen Blick – war er heil? –, kniff für einen Moment erleichtert die Augen zusammen und meldete sodann gleichgültig auf Japanisch: »Wieder ein Brief vom Gendarmeriechef der Stadt.«
    Stirnrunzelnd entfaltete Fandorin die Nachricht, in der Generalleutnant Scharm ihn nachdrücklich zum Abendessen um halb acht einlud. Der Brief endete mit den Worten: »Sonst bin ich wirklich gekränkt.«
    Gestern war genau die gleiche Einladung gekommen und aus Zeitmangel unbeantwortet geblieben.
    Unschön. Ein alter, verdienter General. Außerdem von einer verwandten Dienststelle; man durfte ihn nicht kränken.
    »Waschen, rasieren, Smoking, weiße Krawatte, Zylinder«, sagte Fandorin mißmutig zu seinem Diener. »Ich werde nicht lange

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