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Diamantene Kutsche

Diamantene Kutsche

Titel: Diamantene Kutsche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Akunin
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bleiben.«
    Dritte Silbe,
in welcher Rybnikow seiner Leidenschaft
freien Lauf läßt
    Am 25. Mai fuhr Glikerija umsonst den Boulevard hinauf und hinunter – Wassja kam nicht. Das betrübte sie, aber nicht sehr. Erstens wußte sie nun, wo sie ihn finden konnte, und zweitens hatte sie eine Aufgabe.
    Direkt vom Boulevard fuhr sie zu Konstantin Fjodorowitsch Scharm in die Behörde. Der Alte freute sich ungemein. Er warf ein paar Offiziere mit Papieren raus, ließ Schokolade servieren und war überhaupt rührend in seiner altmodischen Galanterie.
    Das Gespräch auf Fandorin zu bringen war ganz einfach. Nach kurzem Geplauder über gemeinsame Petersburger Bekannte erzählte Glikerija, wie sie beinahe in ein schreckliches Eisenbahnunglück auf einer Brücke geraten wäre, und beschrieb anschaulich, was sie gesehen und erlebt hatte. Ausführlich verweilte sie bei dem geheimnisvollen Herrn mit den grauen Schläfen, der die Ermittlungen leitete.
    Das starke Adjektiv erzielte die beabsichtigte Wirkung.
    »Für Sie mag er geheimnisvoll sein, für mich ist er das nicht.« Der General lächelte milde. »Das ist Fandorin von der Petersburger Eisenbahngendarmerie. Ein kluger Kopf, Kosmopolit, ein Original. Er arbeitet zur Zeit in Moskau an einem hochwichtigen Fall. Ich bin informiert worden, daß jederzeit meine Unterstützung benötigt werden kann.«
    Glikerija rutschte das Herz ein Stück tiefer. »Ein hochwichtiger Fall«! Der arme Wassja.
    Aber sie ließ sich ihre Unruhe nicht anmerken. Statt dessen mimte sie Neugier.
    »Ein Kosmopolit? Ein Original? Ach, lieber Konstantin Fjodorowitsch, machen Sie mich mit ihm bekannt! Ich weiß, Ihnen ist nichts unmöglich!«
    »Nein, nein, bitten Sie mich gar nicht erst darum, Fandorin ist als Herzensbrecher bekannt. Sagen Sie, auch Sie hat sein Marmorantlitz nicht gleichgültig gelassen? Sehen Sie sich vor, ich werde noch eifersüchtig und lasse Sie überwachen!« Der General drohte ihr scherzhaft mit dem Finger.
    Aber natürlich sträubte er sich nicht lange – er versprach, den Petersburger noch heute zum Abendessen einzuladen.
    Glikerija zog ein silberfarbenes Kleid an, dem sie das Attribut »fatale« verliehen hatte, parfümierte sich mit würzigen Düften und zog sich sogar die Augenbrauen ein wenig nach, was sie sonst nie tat. Sie war so schön, daß sie fünf Minuten brauchte, bis sie endlich hinausging – so fasziniert war sie von ihrem Spiegelbild.
    Der scheußliche Fandorin erschien jedoch nicht. Den ganzen Abend saß Glikerija neben einem leeren Stuhl und hörte sich die blumigen Komplimente des Hausherrn und die Gespräche seiner langweiligen Gäste an.
    Als sie sich verabschiedete, breitete der General bedauernd die Arme aus.
    »Er ist nicht gekommen, Ihr ›geheimnisvoller Mann‹. Er hat nicht einmal geruht, auf meine Einladung zu antworten.«
    Sie beschwor den General, er möge nicht zornig sein – vielleicht stecke Fandorin in einer wichtigen Ermittlung. Sie sagte: »Es ist so nett bei Ihnen! Und Ihre Gäste sind so wunderbar. Wissen Sie was, geben Sie doch morgen wieder ein Abendessen, im selben Kreis. Und Fandorin schreiben Sie ein paar entschiedene Worte, damit er auf jeden Fall erscheint. Versprochen?«
    »Für das Vergnügen, Sie erneut bei mir zu sehen, bin ich zu allem bereit. Aber wieso interessieren Sie sich eigentlich so sehr für Fandorin?«
    »Es geht mir nicht um ihn.« Glikerija senkte vertraulich die Stimme. »Das ist nur reine Neugier. Eine Laune, wenn Sie so wollen. Ich fühle mich im Moment einfach sehr einsam und möchtegern in Gesellschaft sein. Habe ich Ihnen das nicht gesagt – ich trenne mich von George.«
    Der General registrierte die Vertraulichkeit. Er warf einen Blick auf seine verkniffene Frau und schlug unverzüglich vor, morgen außerhalb der Stadt zu Mittag zu essen, doch das verwarf Glikerija rasch. Im Grunde genügte es dem Greis vollkommen, ein wenig mit der reizenden jungen Frau zu kokettieren, das Essen vor der Stadt hatte er nur so vorgeschlagen, aus alter Gewohnheit, wie ein abgehalfterter Husarengaul noch immer mit dem Huf schlägt, wenn er in der Ferne Hörnerklänge hört.
     
    Am nächsten Tag erschien Fandorin, wenngleich verspätet. Mehr verlangte Glikerija gar nicht – ihrer Reize war sie sich sicher. Und sie sah nicht schlechter aus als am Vortag. Sogar noch besser, denn sie hatte eine maurische Kappe mit einem phantastischen durchsichtigen Schleier aufgesetzt.
    Sie wählte eine simple, aber todsichere Strategie.
    Zuerst sah

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