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Diamantene Kutsche

Diamantene Kutsche

Titel: Diamantene Kutsche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Akunin
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auf morgen zu verschieben wäre riskant. Womöglich erscheint sie dann hier und singt uns das Klagelied der Andromache. Fahren Sie hin, ja? Shirota wird Sie begleiten. Er erledigt alles und stellt die nötigen Papiere aus, Sie müssen nur die Sterbeurkunde unterschreiben.«
    Fandorin, der noch immer das Porträt des geköpften Heldenbetrachtete, wollte gerade sagen: »Aber selbstverständlich«, da schienen die mit schwarzer Tusche gezeichneten Augen des Feldmarschalls plötzlich aufzublitzen, als wären sie lebendig – und zwar irgendwie warnend. Verblüfft trat Fandorin einen Schritt näher an das Bild und beugte sich sogar vor. Sofort verschwand der erstaunliche Effekt, und er sah nur bemaltes Papier.
    »Aber selbstverständlich.« Der Vizekonsul drehte sich zu seinem Vorgesetzten um. »Sofort. Ich ziehe mich nur um, wenn Sie erlauben. Dieser Anzug wäre bei einer derart traurigen Mission gänzlich deplaziert. Wer ist denn das Fräulein?«
    »Die Tochter von Kapitän Blagolepow, der offenkundig das Zeitliche gesegnet hat.« Doronin bekreuzigte sich, aber ohne besondere Frömmigkeit, eher mechanisch. »Gott hab ihn selig, wie man so schön sagt, obwohl der Verschiedene kaum eine Chance hat, ins Himmelreich zu gelangen. Er war ein bedauernswerter, restlos heruntergekommener Mann.«
    »Hat er getrunken?«
    »Schlimmer. Er hat geraucht.« Auf Fandorins verständnislosen Blick hin erklärte der Konsul: »Er war opiumsüchtig. Eine im Fernen Osten ziemlich weit verbreitete Krankheit. Am Opiumrauchen selbst ist eigentlich nichts Schlimmes, ebensowenig wie am Weintrinken, aber man muß dabei Maß halten. Ich rauche selbst hin und wieder gern ein Pfeifchen. Ich bringe es auch Ihnen bei, wenn ich sehe, daß Sie ein vernünftiger Mann sind, im Gegensatz zu Blagolepow. Dabei kannte ich ihn noch ganz anders. Er kam vor fünf Jahren her, per Kontrakt mit der Postdampfschiffahrtsgesellschaft. Er war Kapitän auf einem großen Paketboot zwischen Osaka und Yokohama. Er kaufte sich ein schönes Haus, ließ Frau und Tochter aus Wladiwostok kommen. Doch seine Gattin starb bald, und vor Kummer ergab sich der Kapitän dem berauschenden Kraut. Nach und nach verrauchte er alles: seine Ersparnisse, seine Dienststellung, sein Haus. Er zog in die Eingeborenenstadt, unddas gilt unter den Europäern als schlimmste Schmach. Die Tochter des Kapitäns trägt zerschlissene Kleider, lebt am Rande des Hungers.«
    »Wenn er seine Anstellung v-verloren hat, warum nennen Sie ihn dann immer noch Kapitän?«
    »Aus alter Gewohnheit. Zuletzt arbeitete Blagolepow auf einem kleinen Dampfer, fuhr Leute in der Bucht herum. Nie weiter als bis Tokio. Er war sein eigener Kapitän, Matrose und Heizer. Seine eigene Dreifaltigkeit. Der Kutter war sein Eigentum, dann verkaufte er ihn und arbeitete gegen Lohn und Trinkgeld. Die Japaner mieteten ihn gern, aus zweifacher Neugier: um auf dem Wunderboot mit Schornstein zu fahren und um sich von einem Gaijin bedienen zu lassen. Alles, was Blagolepow verdiente, trug er in die Opiumhöhle. Er war ein verlorener Mensch, und nun ist er endgültig dahin …«
    Doronin nahm einige Münzen aus dem Safe.
    »Fünf Dollar für das Begräbnis, wie vorgeschrieben. Lassen Sie sich das quittieren, nicht vergessen.« Er seufzte noch einmal und holte zwei weitere Silberlinge aus seiner Tasche. »Und das geben Sie ihr so, ohne Quittung. Die Totenmesse übernimmt der Schiffsgeistliche, darum kümmere ich mich. Und sagen Sie der Blagolepowa, sie soll nach der Beerdigung gleich nach Rußland zurückgehen, sie hat hier nichts verloren. Sonst endet sie womöglich noch im Bordell. Ein Billett bis Wladiwostok bekommt sie von uns, dritter Klasse. Nun gehen Sie, gehen Sie. Herzlichen Glückwunsch zum Beginn Ihres Konsulatsdienstes.«
    Bevor Fandorin hinausging, mußte er noch einmal das Porträt des Feldmarschalls Saigo anschauen. Wieder schien der Blick des Helden eine message zu enthalten – eine Warnung oder eine Drohung.
     
    Ein Mysterium:
    Sonnenaufgang, Mondes Tod,
    Des Helden Augen.

Der blaue Würfel verachtet den Dachs
    Semushi kratzte sich geräuschvoll den Buckel und hob die Hand zum Zeichen, daß keine Einsätze mehr angenommen würden. Die Spieler – es waren sieben – wippten auf den Absätzen in die Hocke zurück, um eine möglichst gleichgültige Miene bemüht.
    Dreimal »gerade«, viermal »ungerade«, registrierte Tanuki und ballte, obwohl er selbst nicht gesetzt hatte, erregt die Fäuste.
    Semushis fleischige Hand lag auf

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