Diamantene Kutsche
Schlangentätowierung auf der Schulter haben. Mußten ja nicht gleich drei Ringe sein wie bei Obake oder fünf wie Gonza, aber wenigstens ein einziger. Dann würde das zickige Mädchen ihn ganz anders ansehen. Egal – wenn er seinen Auftrag ordentlich erledigte, dann bekam er nicht nur eine feuerrote Schlange auf der rechten Schulter, sondern obendrein eine Chrysantheme auf jedem Knie, das hatte Gonza ihm versprochen.
Übrigens hatte er diesen wichtigen Auftrag nur deshalb bekommen,weil seine Haut noch ohne jeden Schmuck war. Er hatte noch keine Gelegenheit gehabt, sich welchen zu verdienen. Doch mit Tätowierung wäre er beim Buckligen nicht eingelassen worden. Dafür standen Fudo und Gundari am Eingang, damit kein fremder Yakuza hereinkam. Fudo und Gundari ließen jeden Besucher die Ärmel hochkrempeln und kontrollierten Rücken und Brust. Entdeckten sie eine Tätowierung, schickten sie denjenigen sofort weg.
Semushi war vorsichtig, an ihn kam man nicht so leicht heran. Seine Spelunke »Rakuen« hatte eine Doppeltür: Die Besucher wurden einzeln eingelassen, dann schloß ein raffinierter Mechanismus die erste Tür; dahinter wachten Fudo und Gundari, die beiden Türhüter, benannt nach den beiden drohenden Buddhas vorm Himmelstor. Doch so furchteinflößend die himmlischen Buddhas mit ihren hervorquellenden Augen und den Flammenzungen anstelle der Haare auch waren – dieses Pärchen war noch schlimmer. Sie stammten beide aus Okinawa und waren Meister in der Kunst, mit bloßen Händen zu töten.
Im Saal gab es noch vier weitere Aufpasser, aber um die mußte Tanuki sich nicht kümmern. Er hatte nur eine Aufgabe: dafür zu sorgen, daß seine Leute hereinkamen, den Rest schafften sie ohne ihn.
Der kühne Gonza trug seinen Spitznamen zu Ehren des Speerträgers Gonza aus dem berühmten Puppenspiel, weil er so geschickt mit dem Bambusstock umgehen konnte. Auch Dankiti trug seinen Spitznamen Kusari, »Kette«, nicht umsonst. Mit seiner Kette konnte er einer Glasflasche den Hals abschlagen, ohne daß die Flasche auch nur wankte. Dann war da noch Obake-Gespenst, ein Meister des Nunchaku, und Ryu-Drache, ein ehemaliger Sumotori, der fünfzig Kan 2 wog. Der brauchte keinerlei Waffen.
Auch Tanuki trug nichts bei sich. Erstens wäre er mit Waffe gar nicht hereingelassen worden, und zweitens konnte er auch mit Armen und Beinen so einiges. Er wirkte nur so harmlos – ziemlichklein und rundlich wie ein Dachs (daher auch sein Spitzname, Tanuki heißt auf Japanisch »Dachs«). Doch er hatte seit seinem achten Lebensjahr die Kunst des Jiu-Jitsu erlernt und sich überdies mit der Zeit die Kunst des Kampfes mit den Beinen angeeignet. Er wurde mit jedem fertig, außer mit Ryu, den konnte nicht einmal die Dampfkuruma der Gaijin von der Stelle bewegen.
Der Plan des listigen Gonza schien auf den ersten Blick ganz einfach.
Tanuki setzte sich in die Spelunke, angeblich zum Spielen. Er sollte warten, bis Fudo oder Gundari, wer von beiden, war egal, seine Notdurft verrichten ging oder aus anderen Gründen seinen Platz verließ, dann zu dem Verbliebenen rennen, ihm einen gezielten Schlag versetzen, den Riegel aufschieben, das verabredete Signal geben und aufpassen, daß er nicht getötet wurde in den paar Sekunden, bis Gonza und die übrigen hereinkamen.
Selten bekam ein Neuling gleich einen so schwierigen und verantwortlichen Auftrag. Eigentlich hätte Dachs noch drei, vier Jahre Schüler sein müssen, für einen vollwertigen Kämpfer war er zu jung. Doch in diesen Zeiten konnten die alten Bräuche nicht mehr streng eingehalten werden. Das Glück hatte sich von der Chobei-gumi, der ältesten und berühmtesten japanischen Bande, abgewandt.
Wer hatte nicht schon vom Begründer des Clans gehört, dem großen Chobei, dem Anführer der Räuber von Edos, der die Städter gegen die Willkür der Samurai verteidigte? Leben und Tod dieses edlen Yakuza sind in Kabukistücken und in Ukiyo-e-Blättern 3 verewigt. Der hinterhältige Samurai Mizuno lockte den Helden betrügerisch in sein Haus, unbewaffnet und allein. Doch der Yakuza erledigte die Meute seiner Feinde mit bloßen Händen und ließ nur den hinterhältigen Mizuno am Leben. Er sagte zu ihm: »Wenn ich lebend aus deiner Falle herauskäme, würden die Leute denken, Chobei zittert allzusehr um sein Leben. Töte mich, hier ist meineBrust.« Schlotternd vor Angst durchbohrte Mizuno ihn mit dem Speer. Kann man sich einen erhabeneren Tod vorstellen?
Schon Tanukis Vater und Großvater hatten
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