Diamantene Kutsche
dem schwarzen Becher, klappernd schlugen die Würfel gegen die Bambuswand (ein betörender Klang!), und behende rollten zwei Würfel auf den Tisch, ein roter und ein blauer.
Der rote fiel sogleich mit der Vier nach oben, der blaue aber rollte ganz an den Rand der Tatami-Matte.
Gerade, dachte Tanuki, und im nächsten Moment blieb der Würfel mit der Zwei oben liegen. Genau! Hätte er aber gesetzt, wäre der gemeine Würfel mit der Eins oder der Drei nach oben gerollt. Er verachtete Tanuki, das war vielfach erwiesen.
Drei Spieler kassierten ihren Gewinn, vier holten neue Münzen aus ihrer Tasche. Kein Wort, kein Ausruf. Das edle alte Spiel schrieb absolutes Schweigen vor.
Der bucklige Wirt winkte der Dienerin, damit sie den Spielern Sake nachschenkte. Das Mädchen ging vor jedem in die Hocke und goß die Schalen voll. Sie warf einen raschen Blick zu Semushi, überzeugte sich, daß er nicht hersah, kroch auf Knien rasch zu Tanuki und schenkte ihm ebenfalls ein, obwohl sie das nicht durfte.
Er bedankte sich natürlich nicht, wandte sich sogar ab. Frauen mußte man streng behandeln, sich unnahbar zeigen, das weckte ihre Leidenschaft. Ach, wären die Würfel doch ebenso leicht zu beherrschen!
Mit seinen achtzehn Jahren wußte Tanuki bereits, daß ihm kaum eine Frau widerstehen konnte. Das heißt, man brauchte natürlichein Gespür dafür, ob eine Frau einem gehören würde oder nicht. Und das besaß er, das war seine besondere Gabe. Hatte er keine Chance, sah er eine Frau gar nicht erst an. Wozu sinnlos Zeit vergeuden? Spürte er jedoch – an einem Blick, an einer winzigen Geste, am Geruch –, daß er eine Chance hatte, dann handelte Tanuki sicher und ohne unnötige Hast. Er wußte, daß er ein ansehnlicher Mann war und Liebe zu wecken vermochte.
Aber was wollte er, so fragt man sich, von dieser dürren Dienerin? Er saß schließlich nicht zum Vergnügen hier, sondern wegen einer wichtigen Sache. Es ging sozusagen um Leben und Tod, dennoch hatte er sich nicht beherrschen können. Als er das Mädchen sah, wußte er sofort: die kann ich haben, und zog sogleich alle Register – unnahbare Miene, leidenschaftlicher Blick. Wenn sie näher kam, wandte er sich ab, war sie weit entfernt, schaute er sie unentwegt an. Darauf reagieren Frauen sofort. Sie hatte bereits mehrmals versucht, mit ihm ins Gespräch zu kommen, Tanuki aber wahrte rätselhaftes Schweigen. Man durfte auf keinen Fall zu früh den Mund aufmachen.
Nicht, daß das Spiel mit der Dienerin ihn besonders reizte – aber es versüßte ihm das Warten. Und kostenloser Sake war auch nicht zu verachten.
Er saß seit gestern abend ununterbrochen in Semushis Schenke. Das Geld, das ihm Gonza gegeben hatte, war fast vollständig verspielt, obwohl er höchstens alle anderthalb Stunden einmal setzte. Der verdammte blaue Würfel hatte sämtliche Münzen verschlungen, nur zwei waren noch übrig: eine kleine goldene und eine große silberne mit einem Drachen.
Seit gestern früh hatte er nichts gegessen und nicht geschlafen, nur Sake getrunken. Sein Bauch grollte. Aber das mußte der Hara aushalten. Schlimmer war, daß ihn schwindelte, vor Hunger oder von dem süßlichen Rauch aus der Ecke, in der die Opiumraucher saßen und lagen – drei Chinesen, ein rothaariger Matrose mitgeschlossenen Augen und selig geöffnetem Mund und zwei Rikschakulis.
Die Ausländer mochte die Akuma 1 holen, sollten sie ruhig krepieren , aber die Rikschakulis taten ihm leid. Sie waren beide Samurai gewesen, das sah man sofort. Ihnen fiel es am schwersten, sich an das neue Leben anzupassen. Die Samurai bekamen nicht mehr wie früher eine Pension gezahlt – sie mußten arbeiten wie alle anderen. Wenn man aber nichts weiter konnte als das Schwert schwingen? Doch die Schwerter hatte man den Ärmsten ja weggenommen …
Tanuki prophezeite erneut, wie die Würfel fallen würden, diesmal »ungerade« – und richtig! Zwei und Fünf!
Doch kaum hatte er seinen silbernen Yen gesetzt, da betrogen die Würfel ihn wieder. Der rote fiel wie immer als erster, auf fünf. Er flehte den blauen an: Ungerade, bitte, ungerade! Aber nein – drei! Die vorletzte Münze war verloren.
Schnaufend vor Wut stellte Tanuki seine Trinkschale ab, damit die Dienerin ihm Sake nachschenkte, aber das Mädchen überging ihn diesmal – wahrscheinlich war sie beleidigt, weil er sie nicht ansah.
Im Raum war es stickig, die Spieler waren bis zum Gürtel nackt und fächerten sich Luft zu. Jetzt müßte er eine
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