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Diamantene Kutsche

Diamantene Kutsche

Titel: Diamantene Kutsche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Akunin
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zur Chobei-gumi gehört. Von Kindesbeinen an hatte er davon geträumt, einst in die Bande einzutreten und darin eine große, ehrenvolle Karriere zu machen. Er würde erst Schüler sein, dann Kämpfer, sich dann zum Wakashu hochdienen, zum kleinen Kommandeur, dann zum Wakashira aufsteigen und mit vierzig, wenn er so lange lebte, selbst zum Oyabun werden, zum Herr über Leben und Tod von fünfzig kühnen Männern, und auch über seine Heldentaten würde man einst Stücke für das Kabukitheater und das Puppentheater Bunraku schreiben.
    Doch seit dem letzten Jahr war vom Clan kaum noch etwas übrig. Der Zwist zwischen den beiden Zweigen der Yakuza währte bereits Jahrhunderte. Die Tekiya, zu denen die Chobei-gumi gehörte, kümmerten sich um den kleinen Handel: Sie schützten Ladenbesitzer und Straßenhändler vor den Behörden und vor Dieben und erhielten dafür einen bestimmten Obulus. Die Bakuto dagegen lebten vom Glücksspiel. Diese Blutsauger und Betrüger blieben nie lange an einem Ort, sie zogen herum und hinterließen zerstörte Familien, Tränen und Blut.
    Die Chobei-gumi hatte sich so gut eingerichtet in der neuen Stadt Yokohama, wo der Handel blühte und gedieh! Doch dann kamen die geldgierigen Bakuto und streckten ihre Hände nach dem fremden Territorium aus. Und wie geschickt sie vorgingen! Der bucklige Wirt des »Rakuen« handelte nie direkt, im ehrlichen Zweikampf Mann gegen Mann. Semushi war ein Meister darin, hinterhältige Fallen zu stellen. Er denunzierte den Oyabun bei den Behörden, dann forderte er die Kämpfer der Chobei-gumi zum Kampf heraus, und am verabredeten Ort gerieten sie in einen Polizeihinterhalt. Die Übriggebliebenen fing er einzeln ein, mit viel List und Geduld. Innerhalb weniger Monate hatte die Bande neun Zehntel ihrer Mitglieder verloren. Man munkelte, der Buckligehabe hochgestellte Beschützer, und die Polizeiobrigkeit – unerhörte Schande! – stünde auf seiner Gehaltsliste.
    So war es gekommen, daß Tanuki mit seinen achtzehn Jahren, weit vor der üblichen Zeit, vom Schüler zum vollwertigen Mitglied der Chobei-gumi geworden war. Allerdings hatte die Bande nur noch fünf Kämpfer: den neuen Oyabun Gonza, Dankiti mit seiner Kette, Obake mit seinem Nunchaku, den menschlichen Berg Ryu und Tanuki.
    Zu wenig, um den gesamten Straßenhandel unter Kontrolle zu halten. Aber genug, um mit dem Buckligen abzurechnen.
    Also wartete Tanuki, zermürbt von Müdigkeit und Anspannung, den zweiten Tag darauf, daß nur ein Aufpasser die Tür bewachte. Mit beiden wurde er nicht fertig, das war ihm wohl bewußt. Und mit einem nur dann, wenn er ihn von hinten überfiel.
    Fudo und Gundari hatten sich abwechselnd mehrmals entfernt – zum Schlafen, zum Essen, zum Ausruhen –, waren aber jedesmal sofort von einem der Aufpasser aus dem Spielsaal abgelöst worden. Tanuki saß eine Stunde da, zehn Stunden, zwanzig, dreißig Stunden – vergebens.
    Gestern abend war er kurz hinausgegangen, um die Ecke, wo die anderen in einer Scheune saßen, um ihnen zu erklären, warum es so lange dauerte.
    Gonza hatte gesagt: Geh zurück und warte. Früher oder später steht einer allein an der Tür. Dann hatte er ihm noch zehn Yen gegeben, zum Verspielen.
    Am Morgen war Tanuki erneut hinausgegangen. Die Kameraden waren natürlich auch müde, aber ihre Entschlossenheit zur Rache hatte nicht nachgelassen. Gonza gab ihm weitere fünf Münzen und sagte: Mehr hab ich nicht.
    Nun ging es bereits auf den Abend zu, der Eingang des »Rakuen« wurde noch immer sorgsam bewacht, und Tanuki besaß nur noch eine einzige Münze, seinen letzten Yen.
    Sollte er gehen müssen, ohne seinen Auftrag erfüllt zu haben? Was für eine Schmach! Lieber sterben! Sich auf die beiden Ungeheuer stürzen und dann komme, was da wolle!
    Semushi kratzte sich die schweißnasse Brust, die aussah wie ein bauchiges Faß, und zeigte mit dem Finger auf Tanuki.
    »He, Junge, was ist, willst du ewig hier bleiben? Du sitzt bloß da und spielst kaum. Entweder du spielst, oder du verschwindest. Hast du überhaupt Geld?«
    Tanuki nickte und holte die Goldmünze hervor.
    »Na, dann setze!«
    Tanuki schluckte und legte den Yen links neben die Linie für die Einsätze bei »ungerade«, besann sich und legte ihn auf »gerade«. Dann wollte er ihn wieder zurücklegen, doch es war zu spät – Semushi hob die Hand.
    Die Würfel im Becher klapperten. Der rote fiel auf zwei. Der blaue rollte im Halbkreis über die Tatami und fiel auf drei.
    Tanuki biß sich auf die

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