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Diamantene Kutsche

Diamantene Kutsche

Titel: Diamantene Kutsche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Akunin
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den Weg zum Konsulat, denn Fandorin weigerte sich erneut, mit einer »Menschenkutsche« zu fahren, und da der Vizekonsul auf ein Gefährt verzichtete, wollten auch der Schreiber und die Mademoiselle keine Herrenmanieren an den Tag legen.
    Gleich bei der ersten Laterne erwartete den Vizekonsul eine Überraschung. Aus der Dunkelheit tauchte der rundgesichtige Yakuza auf, den Fandorin inzwischen völlig vergessen hatte. Die Hände an die Seiten gepreßt, erstarrte er in einer tiefen Verbeugung. Dann richtete er sich auf und sah seinen Wohltäter finster und entschlossen an.
    »Ich habe mich bis zum Fluß getrollt«, übersetzte Shirota und schaute den Räuber sichtlich wohlwollend an. »Was befehlen Sie nun, Herr?«
    »Mein Gott, ich habe ihn so satt!« klagte Fandorin. »Hätten sie ihm lieber die Stirn tätowiert! Sagen Sie, Shirota, werde ich ihn etwa nie mehr los?«
    Der Schreiber sah dem Starrsinnigen aufmerksam in die Augen und schüttelte den Kopf. »Er ist ein Mann des Wortes. Es gäbe nur eine Möglichkeit: Sie befehlen ihm, Selbstmord zu begehen.«
    »Gott behüte! Na schön. Dann soll er wenigstens sagen, wie er heißt.«
    Shirota übersetzte Fandorin die Antwort des ehemaligen Soldaten der Chobei-gumi: »Er heißt Masahiro Shibata, aber Sie können ihn einfach Masa nennen.«
    Fandorin drehte sich um, als er Räder quietschen hörte, und nahm den Zylinder ab – Fuhrleute zogen den Leiterwagen vorbei,mit dem der »kerngesunde Tote« ins Leichenschauhaus gebracht wurde. Am Kopfende lagen seine Schuhe und die ordentlich zusammengelegten Kleider.
     
    Ringsum herrscht Trubel,
    Nur er allein ist ruhig,
    Er weilt bei Buddha.

Funken auf der Klinge des Katana
    »Drei Samurai? In Tücher gehüllte Schwerter? Sie nannten Okubo einen ›Hund‹? Das ist womöglich sehr, sehr ernst!« sagte Doronin besorgt. »Alles daran ist verdächtig, besonders, daß sie einen Kutter benutzt haben. Damit gelangt man direkt ins Herz der Hauptstadt, ohne Posten und Schlagbäume.«
    Fandorin hatte ihn zu Hause angetroffen, im linken Flügel des Konsulats. Doronin war bereits zurück von der Eröffnung der wohltätigen Einrichtung und dem anschließenden Abendessen und zog sich nun für den Junggesellenball um. Seine goldbestickte Uniformjacke hing auf einem Stuhl, und ein pummeliges japanisches Dienstmädchen half dem Konsul, den Smoking anzulegen.
    Die Wohnung seines Vorgesetzten gefiel Fandorin: Eingerichtet mit leichten Rattanmöbeln, verband sie geschickt Russisches mit japanischer Exotik. In einer Ecke stand auf einem kleinen Tisch ein funkelnder, herrlich bauchiger Samowar, durch die Glastüren des Schrankes sah man verschiedenfarbige Karaffen mit Likören, doch die Bilder und Schriftrollen an der Wand waren einheimisch, auf einem Ehrenplatz thronte ein Ständer mit zwei Samuraischwertern, und durch die offene Tür sah man ein vollkommen japanisches Zimmer, das heißt, einen Raum ganz ohne Möbel, mit Strohmatten ausgelegt.
    Die schleierhaften Umstände von Blagolepows Tod interessierten den Konsul weit weniger als dessen drei nächtliche Passagiere. Fandorin schien diese Reaktion anfangs sogar ein wenig übertrieben, doch Doronin erklärte ihm den Grund seiner Besorgnis.
    »Daß der Minister viele Feinde hat, besonders unter den Samurai aus dem Süden, ist kein Geheimnis. Politische Attentate geschehen in Japan fast ebenso häufig wie in Rußland. Zwar sind es bei uns Revolutionäre, die Amtsträger ermorden, hier dagegen Reaktionäre, aber das ist, wie es so schön heißt, gehüpft wie gesprungen – der Schaden für die Gesellschaft und den Staat ist derselbe, ob nun von linken Zeloten angerichtet oder von rechten. Okubo ist eine Schlüsselfigur der japanischen Politik. Sollten die Fanatiker ihn beseitigen, würde sich der gesamte Kurs ändern, die gesamte Entwicklung des Reiches, und zwar in einer für Rußland äußerst gefährlichen Richtung. Sehen Sie, Fandorin, Minister Okubo ist ein Anhänger der Evolution, der allmählichen Entwicklung der inneren Kräfte des Landes unter strenger Kontrolle der Regierung. Er ist ein Dompteur, der mit der Peitsche knallt und den Tiger nicht aus seinem Käfig läßt. Der Tiger, das ist das vererbte, tiefverwurzelte Kriegertum des hiesigen Adels, die Zelle ist der japanische Inselstaat. Woran ist das berühmte Triumvirat der drei hiesigen Korsen zerbrochen? An der Frage des Krieges. Die mächtige Partei, die der Lieblingsheld unseres Shirota anführte, Marschall Saigo, wollte unverzüglich

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