Diamantene Kutsche
ich habe ihn verdient – ich hätte mich nicht mit meinem Zynismus brüsten sollen. Wenn Sie es genau wissen wollen, ich achte und liebe diese Dame. Und sie erwidert meine Gefühle, unabhängig von jedem Kontrakt, jawohl, mein Herr!«
»Dann heiraten Sie doch richtig. Was hindert Sie daran?«
Das Feuer in Doronins Augen erlosch.
»Sie scherzen wohl! Eine rechtmäßige Ehe mit einer japanischen Konkubine? Man würde mich aus dem Dienst werfen, wegen Schädigung des Ansehens eines russischen Diplomaten. Und was dann? Soll ich sie etwa mitnehmen nach Rußland? Dort würde sie eingehen, an unserem Klima und an unseren Sitten. Man würde sie doch anstarren wie ein Äffchen. Hierbleiben? Man würde mich aus der europäischen Gesellschaft ausschließen. Nein, nein, das ist unmöglich … Es ist auch so alles wunderbar. Obayashi verlangt und erwartet gar nicht mehr von mir.«
Doronin war leicht errötet, da ihr Gespräch zutiefst private Bereiche berührte. Doch Fandorin, gekränkt für die Dame, bohrte weiter.
»Und wenn ein Kind kommt?« rief er. »Werden Sie dafür auch ›sorgen‹? Genauer gesagt, sich loskaufen?«
»Ich kann keine Kinder haben.« Doronin grinste. »Das sage ich ohne jede Scham, denn das hat nichts mit fehlender Manneskraft tun. Ganz im Gegenteil.« Sein galliges Lächeln wurde noch breiter. »Wissen Sie, als ich jung war, habe ich es ein wenig zu arg getrieben und mir dabei eine üble Krankheit eingefangen. Ich wurde zwar kuriert, aber die Wahrscheinlichkeit, Nachkommen zu zeugen, ist nahezugleich Null – so lautet das Urteil der Medizin. Darum habe ich auch kein ehrbares russisches Mädchen geheiratet. Um keinen Mutterinstinkt zu enttäuschen.«
Obayashi spürte offenbar, daß das Gespräch eine unerfreuliche Richtung nahm. Sie verbeugte sich noch einmal und ging lautlos wieder hinaus. Das Tablett mit dem Tee ließ sie auf dem Tisch stehen.
»Nun, genug jetzt«, unterbrach sich der Konsul. »Wir beide benehmen uns irgendwie sehr russisch … Derartige Vertraulichkeiten verlangen entweder eine lange Freundschaft oder eine kräftige Dosis Alkohol, wir aber kennen uns kaum und sind vollkommen nüchtern. Also kommen wir lieber wieder zur Sache.«
Doronin setzte eine betont sachliche Miene auf und erklärte, wobei er die Finger zu Hilfe nahm: »Erstens müssen wir das alles Kapitänleutnant Bucharzew berichten – ich sprach schon von ihm. Zweitens eine Meldung an Seine Exzellenz schreiben. Drittens, wenn Okubo heute zum Ball kommt, ihn vor der Gefahr warnen …«
»Ich v-verstehe das trotzdem nicht … Selbst wenn Blagolepow die verdächtigen Reden der drei Passagiere nicht im Opiumrausch geträumt hat, warum die Aufregung? Sie haben keinerlei Schußwaffen. Wenn sie Revolver oder Karabiner besäßen, würden sie wohl kaum ihre mittelalterlichen Schwerter mit sich herumschleppen. Sind solche Subjekte etwa tatsächlich eine Gefahr für den mächtigsten Politiker Japans?«
»Ach, Erast Petrowitsch, meinen Sie, die Samurai aus Satsuma kennen keine Handfeuerwaffen oder hätten sich nicht das Geld für ein paar Revolver beschaffen können? Allein die nächtliche Spazierfahrt mit dem Kutter ist teurer als eine gebrauchte Smith&Wesson. Aber darum geht es nicht. In Japan gilt es als unehrenhaft, seinen Feind mit einer Kugel zu töten – das betrachtet man hier als Feigheit. Seinen Erzfeind, noch dazu einen so berühmten wieOkubo, tötet man mit dem Schwert, schlimmstenfalls mit dem Dolch. Außerdem haben Sie keine Ahnung, was ein Katana, ein japanisches Schwert, in den Händen eines echten Meisters bedeutet. Davon können Europäer nur träumen.«
Der Konsul nahm das längere der beiden Schwerter aus dem Ständer und schwang es sacht mit der Linken, ohne es zu entblößen.
»Ich kann natürlich nicht mit einem Katana fechten – das muß man von Kindesbeinen an lernen. Und zwar möglichst auf japanische Art, das heißt, man muß dem, was man erlernt, sein ganzes Leben widmen. Aber ich nehme bei einem alten Mann Battojutsu-Stunden.«
»Was für Stunden?«
»Battojutsu – das ist die Kunst, das Schwert aus der Scheide zu ziehen.«
Fandorin mußte unwillkürlich lachen.
»Nur herausziehen? Wie die eingefleischten D-duellanten zu Zeiten Karls XIX.? Mit kühnem Schwung, daß die Scheide zur Seite fliegt?«
»Darum geht es dabei nicht. Können Sie gut mit dem Revolver umgehen?«
»Jedenfalls nicht schlecht.«
»Und Sie sind natürlich überzeugt, wenn Sie einen Revolver haben, werden Sie mühelos
Weitere Kostenlose Bücher