Diamantene Kutsche
fertig mit einem Gegner, der nur mit einem Schwert bewaffnet ist?«
»Selbstverständlich.«
»Sehr schön«, schnurrte Doronin und nahm zwei Revolver aus einem Schränkchen. »Kennen Sie ein solches Gerät? Das ist ein Colt.«
»Natürlich kenne ich das. Aber ich habe etwas Besseres.«
Fandorin griff unter seinen Gehrock und holte aus einem verborgenen Holster einen flachen kleinen Revolver, der so gut verstecktwar, daß ihn die Türhüter im »Rakuen« nicht entdeckt hatten.
»Das ist eine ›Herstal-Agent‹ mit sieben Schuß. Wird nur auf B-bestellung angefertigt.«
»Ein hübsches Ding«, bestätigte der Konsul. »Stecken Sie es wieder weg. So. Und nun – können Sie die Waffe ganz schnell ziehen?«
Fandorin riß blitzschnell die Hand mit dem Revolver hoch und richtete ihn auf die Stirn seines Vorgesetzten.
»Großartig! Ich schlage Ihnen ein kleines Spiel vor. Bei ›drei!‹ ziehen Sie Ihre Herstal, ich den Katana, und dann sehen wir, wer wen.«
Fandorin lächelte herablassend, steckte den Revolver zurück und kreuzte die Arme auf der Brust, um seinem Gegner einen Vorsprung einzuräumen, doch Doronin übertraf ihn noch – er hob die Rechte über den Kopf.
Dann rief er: »Eins, zwei … drei!«
Die Bewegung des Konsuls zu verfolgen war unmöglich. Fandorin sah nur einen blitzenden Bogen, der sich in eine Klinge verwandelte, die reglos erstarrte, noch bevor er selbst die Hand mit dem Revolver heben konnte.
»Unglaublich!« rief er. »Aber es genügt doch nicht, die Waffe zu ziehen, Sie müssen doch auch noch die anderthalb Sashen überwinden, die zwischen uns liegen. In der Zeit hätte ich zielen und schießen können.«
»Sie haben recht. Aber ich sagte ja, ich habe nur gelernt, die Waffe zu ziehen. Ich versichere Ihnen, mein Fechtlehrer würde Sie in zwei Teile spalten, ehe Sie auf den Abzug drücken könnten.«
Fandorin widersprach ihm nicht – der Trick hatte ihn beeindruckt.
»Haben Sie mal etwas von der Kunst des Verzögerten Tötens gehört?« fragte er vorsichtig. »Dim-mak heißt sie, glaube ich.«
Er berichtete dem Konsul, was Doktor Twiggs ihm erzählt hatte.
»Von etwas Derartigem habe ich noch nie gehört.« Doronin zuckte die Achseln und bewunderte die Lichtblitze auf der Klinge. »Ich denke, das sind ebensolche Märchen wie die phantastischen Geschichten über die Ninja.«
»Über wen?«
»Im Mittelalter existierten Clans von Spionen und gedungenen Mördern, die hießen Ninja. Die Japaner erzählen für ihr Leben gern alle möglichen mystisch angehauchten Märchen über sie.«
»Aber wenn man annimmt, daß es dieses chinesische Dim-mak wirklich gibt«, beharrte Fandorin, »könnten die Samurai aus Satsumi es beherrschen?«
»Weiß der Teufel. Theoretisch schon. Satsuma ist eine Seefahrergegend, von dort gehen Schiffe nach ganz Südostasien. Außerdem liegt es nur einen Katzensprung entfernt von den Riukiu-Inseln, und dort pflegt man seit altersher die Kunst, mit bloßen Händen zu töten. Um so mehr müssen Vorkehrungen getroffen werden. Wenn die drei Passagiere von Blagolepow keine gewöhnlichen Tollköpfe waren, sondern Meister geheimer Künste, dann ist die Gefahr noch ernster. Irgendwie wirken die drei nicht wie halbverrückte Fanatiker. Warum sind sie über die Bucht nach Tokio gefahren, obendrein mit sochen Vorsichtsmaßnahmen? Bestimmt haben sie nicht umsonst einen Ausländer angeheuert; sie dachten, er würde ihren Dialekt nicht verstehen und sich in japanischen Angelegenheiten kaum auskennen. Sie haben ihn großzügig entlohnt, ihm sogar einen Vorschuß für die nächste Fahrt gezahlt. Seriöse Herren. Sie vermuten, sie hätten Blagolepow getötet, weil er zuviel geschwatzt hatte und zur Polizei gehen wollte?«
»Nein. Das war ein alter Mann. Vermutlich hat er überhaupt nichts damit zu tun. Trotzdem läßt mir der seltsame Tod des Kapitäns keine Ruhe …«
Doronin kniff die Augen zusammen und blies ein Staubkorn vom Schwert. Nachdenklich sagte er: »Ob seltsam oder nicht,selbst wenn der Kapitän tatsächlich am Opium gestorben ist – sein Tod liefert uns einen ausgezeichneten Vorwand für eigene Ermittlungen. Aber ja! Ein russischer Untertan ist unter verdächtigen Umständen gestorben. In solchen Fällen hat gemäß dem Status des Settlements der Vertreter der betroffenen Partei, also der Konsul des Russischen Reiches, das Recht, eine eigene Untersuchung zu führen. Sie haben bei der Polizei gedient, Fandorin, hatten Verbindung zur Geheimpolizei, also nehmen
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