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Diamantene Kutsche

Diamantene Kutsche

Titel: Diamantene Kutsche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Akunin
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Korea erobern. Okubo behielt damals die Oberhand über seine Opponenten, weil er klüger und listiger ist. Sollte er jedoch getötet werden, stärkt das unweigerlich die Anhänger einer raschen Entwicklung durch Expansion, die Verfechter der asiatischen Großmacht Yamato. Obwohl es auf der Welt weiß Gott schon genug Großmächte gibt – eines Tages werden sie sich alle verzanken und mit stählernen Krallen übereinander herfallen …«
    »Moment« – Fandorin, der bereits sein ledernes Notizbüchlein aufgeschlagen, aber noch nichts geschrieben hatte, runzelte dieStirn. »Was geht das Rußland an? Mögen die Japaner doch die Koreaner überfallen, was haben wir damit zu tun?«
    »Ts, ts, ts, was für kindliche Reden, und so etwas will Diplomat sein.« Der Konsul schnalzte tadelnd mit der Zunge. »Lernen Sie staatspolitisch denken, strategisch. Wir sind schon längst eine Großmacht, und eine Großmacht, mein Lieber, geht alles etwas an, was auf dem Erdball geschieht. Erst recht Korea. Für die Japaner wäre die koreanische Halbinsel lediglich eine Brücke nach China und in die Mandschurei, doch darauf haben auch wir seit langem ein Auge geworfen. Haben Sie etwa noch nie vom Projekt Gelbrußland gehört?«
    »Doch. Aber mir gefällt diese Idee nicht. Wirklich, Wsewolod Vitaljewitsch, wir haben bei Gott genug mit unseren eigenen Problemen zu tun.«
    »Sie gefällt ihm nicht!« Der Konsul lachte spöttisch. »Sie stehen doch im Dienst des Zaren, oder? Werden dafür bezahlt, nicht wahr? Dann seien Sie so gut und machen Sie Ihre Arbeit, das Denken und Befehlen erledigen andere, deren Amt das ist.«
    »Wie soll man denn das D-denken abstellen? Sie selbst erscheinen mir auch nicht gerade wie ein gedankenloser Befehlsempfänger!«
    Doronins Gesicht verhärtete sich.
    »Da haben Sie recht. Natürlich denke ich, habe eine eigene Meinung und bemühe mich nach Kräften, diese meinen Vorgesetzten nahezubringen. Obwohl, manchmal möchte ich am liebsten … Aber das geht Sie nichts an.« Der Konsul machte eine wütende Handbewegung, und sein Manschettenknopf fiel zu Boden.
    Die Dienerin kniete sich hin, hob den goldenen Knopf auf, hielt die Hand des Konsuls fest und brachte die Manschette in Ordnung.
    »Domo, domo«, bedankte er sich, und das Mädchen lächelte, wobei sie schiefe Zähne entblößte, die ihr ansonsten recht hübsches Gesicht entstellten.
    »Jemand müßte ihr sagen, daß sie beim Lächeln die Lippen nicht öffnen sollte«, bemerkte Fandorin halblaut.
    »Die Japaner haben andere Vorstellungen von weiblicher Schönheit. Bei uns schätzt man große Augen, bei ihnen schmale. Bei uns ist die Form der Zähne wichtig, bei ihnen nur die Farbe. Schiefe Zähne sind ein Zeichen für Sinnlichkeit und gelten als sehr erotisch. Genau wie abstehende Ohren. Na, und von den Beinen der japanischen Schönheiten schweigt man lieber ganz. Wegen der Gewohnheit, in der Hocke zu sitzen, haben die meisten Frauen hier krumme Beine und einen Watschelgang. Aber es gibt auch erfreuliche Ausnahmen«, setzte er plötzlich in völlig anderem, zärtlichem Ton hinzu und lächelte über Fandorins Schulter hinweg.
    Fandorin drehte sich um.
    In der Tür zum japanischen Zimmer stand eine Frau in einem eleganten weißgrauen Kimono. In der Hand hielt sie ein Tablett mit zwei Tassen. Ihr weißhäutiges lächelndes Gesicht war von großem Liebreiz.
    Lautlos kam sie herein, auf kleinen Füßen in weißen Socken, und bot dem Gast mit einer Verbeugung Tee an.
    »Das ist meine Obayashi, sie liebt mich gemäß unserem Vertrag.«
    Fandorin hatte den Eindruck, daß der Konsul sich aus Verlegenheit absichtlich grob ausdrückte – der Blick, mit dem er seine Konkubine ansah, war sanft, ja zärtlich.
    Fandorin verbeugte sich respektvoll und schlug sogar die Absätze zusammen, als wolle er Doronins Schroffheit kompensieren. Der Konsul sagte einige Sätze auf Japanisch und fügte hinzu: »Keine Sorge, sie versteht kein Wort Russisch. Ich bringe es ihr nicht bei.«
    »Warum denn nicht?«
    »Wozu?« Doronin verzog das Gesicht. »Damit sie nach mir per Kontrakt einen Seemann heiratet? Unsere Nachimows schätzen es sehr, wenn die ›Madame‹ wenigstens ein bißchen Russisch spricht.«
    »Kann Ihnen das nicht egal sein?« bemerkte Fandorin kalt. »Sie muß schließlich irgendwie weiterleben, wenn Ihre Liebe per V-vertrag vorbei ist.«
    Doronin wurde wütend.
    »Ich werde schon für sie sorgen. Sie müssen mich nicht als Monster hinstellen! Ich verstehe Ihren Seitenhieb,

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