Diamantrausch - Hot Ice
Sie hatten einander eine Menge zu erzählen. Und sie gingen sehr langsam. Das Raunen ihrer leisen Stimmen war eine hübsche Untermalung zum stetigen Schlagen ihres Herzens.
Sie hatte sich vier Minuten Zeit gelassen, um die Halskette und die Ohrringe zu holen und dann wieder zu verschwinden. Die Steine waren neu gefasst worden, doch Gott sei Dank hatte man sie nicht umgeschliffen. Und die Sammlung, auf die sie es abgesehen hatte, war praktischerweise in der gleichen Ausstellungsvitrine gewesen. In der Nummer siebzehn.
Taylor hatte die früher herrliche und unverwechselbare Fassung aus Platin vor einem Jahr von einem Hehler in Holland bekommen, ehe sie eingeschmolzen oder verkauft werden konnte.
Morgen wären die Saphire in ihrer ursprünglichen Fassung wieder dort, wohin sie gehörten.
Ihre Füße in den weichen Schuhen machten kein Geräusch, als sie schnell über den Marmorboden lief. Sie zählte die
Schritte von der Wand bis zu dem Sockel, denn sie war diese Strecke schon zuvor abgegangen.
Es war ihr auch gelungen, ein Stück Kaugummi direkt vor das Auge des Bewegungsmelders auf dem Sockel zu kleben, auf dem ihre Beute stand. Sie konnte die unsichtbaren Infrarotstrahlen nicht sehen, aber sie wusste, wo sie eigentlich hätten sein sollen, von der groben Zeichnung, die sie vor zwei Tagen aus dem Aufenthaltsraum der Wachleute gestohlen hatte.
Warme Luft von der Belüftungsanlage strich über ihr Gesicht, als sie lief und ihre Schritte schneller wurden. Der eng anliegende Anzug, der sie von Kopf bis Fuß bedeckte, unterstrich jede Rundung ihres Körpers. Nur ihre Augen waren zu sehen.
Der Marmorboden besaß ein kunstvolles geometrisches Muster aus schwarzen und cremefarbenen Quadraten, ein breites schwarzes Band lief an den Seiten des Raumes entlang. Innerhalb dieses schwarzen Bandes war das Infrarotgitter, das die einen Meter hohen, schwarzen Marmorsockel in zwei Hälften teilte, auf denen die zwei Meter hohen, durchsichtigen Röhren aus Polycarbon standen. Sie musste also nur diese Röhren hinauf und dann darüber. Einen Meter in die Höhe und dreieinhalb Meter in die Länge.
Als Taylors Zehen die innere Linie dieser Grenze berührten, stieß sie die Luft aus und sprang dann hoch in die Luft, wie eine Trapezartistin ohne Trapez. So leicht wie eine Feder landete sie am äußeren Rand des Quadrates, in dem die Polycarbonröhre mit dem Ausstellungsstück siebzehn lag. Noch drei Minuten und elf Sekunden hatte sie übrig, wie sie in Gedanken mitzählte. Das war viel Zeit.
Sie beugte die Knie und schlang sie um die Außenseite der
Röhre. Unter dem Rand war ein Knopf... Ah, dort. Sie stellte den Mikrowellendetektor aus, den sie zuvor nicht hatte aktivieren können, dann hielt sie einen Augenblick lang inne, ehe sie sich aufstellte. Sie achtete auf das kleinste Geräusch, deshalb hielt sie jetzt den Atem an und lauschte.
Nichts, bis auf die undefinierbaren Stimmen am anderen Ende der Halle. Dennoch rann ein eisiger Schauer über ihren Rücken, wie eine Vorahnung.
Vor ein paar Wochen in Chicago hatte sie gespürt, dass ihr jemand folgte. Sie hatte niemanden entdecken können, dieses Gefühl hatte nur wenige Stunden angehalten, doch sie war kreuz und quer durch die ganze Stadt gelaufen. Hin und wieder zurück. Bei jedem Halt hatte sie ihr Aussehen verändert, bis sie ganz sicher war, dass sie ihren Verfolger abgeschüttelt hatte.
Sie vertraute ihrer Intuition so sehr, dass sie von der Party aus gleich zum Flughafen gefahren war, anstatt in ihr Hotel zurückzukehren.
Heute Nacht hatte sie dieses Gefühl wieder, beobachtet zu werden, es war stärker als zuvor. Sie ignorierte ihren Instinkt niemals, und im Augenblick warnte jeder einzelne Muskel in ihrem Körper sie vor einer bevorstehenden Gefahr. Wenn sie ihrer Phantasie freien Lauf ließ - und das tat sie ab und an - dann stellte sie sich eine Katze im Dschungel vor, geschmeidig und schwarz, die sie aus der Dunkelheit heraus beobachtete. Die darauf wartete zuzuschlagen. Ihr Herz hämmerte laut.
Sie zwang sich, kostbare Sekunden absolut still dort zu hocken, während sie aufmerksam nach Geräuschen lauschte, die nicht hierher gehörten, nach einer Bewegung, einer Veränderung in der Luft um sie herum.
Nichts.
Nichts.
Weitere kostbare Sekunden vergingen, während sie wartete. Noch immer hörte sie nichts. Wenn in der Dunkelheit die Gefahr lauerte, würde sie nicht so einfach verschwinden, während sie hier hing und darauf wartete. Es war Zeit, weiterzumachen.
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