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Diamond Age - Die Grenzwelt

Titel: Diamond Age - Die Grenzwelt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
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bis Nanjing -, standen westliche und nipponesische Boutiquen und Kaufhäuser dicht nebeneinander, und im Luftraum über der Straße wimmelte es von mandelgroßen Aerostats, allesamt mit eigener CineKamera und Erkennungs-Software ausgestattet, die nach Zusammenrottungen junger Männer Ausschau hielten, bei denen es sich um Zellen der Fäuste handeln konnte.
    Das Cathay erstrahlte, wie alle anderen westlichen Gebäude am Ufer, in weißem Licht, was ihm möglicherweise zum Vorteil geriet, denn andernfalls hätte es wenig hergemacht. Bei Tageslicht sah es äußerlich unscheinbar und verwahrlost aus.
    Sie spielte ein kleines Spiel mit dem Pförtner. Sie ging auf den Eingang zu und verließ sich darauf, daß er die Tür für sie öffnen würde, aber er stand nur mit hinter dem Rücken verschränkten Händen da und betrachtete sie mürrisch. Schließlich gab er klein bei und machte ihr die Tür auf, aber vorher mußte sie ein wenig abbremsen, damit sie nicht voll dagegenlief.
    George Bernard Shaw hatte hier gewohnt; Noël Coward hatte hier ein Stück geschrieben. Die Halle war hoch und schmal, Beaux-Arts-Marmor, grandiose gußeiserne Lüster, bogenförmige Buntglasfenster, die das weiße Licht der Gebäude vom Bund filterten. In der Bar spielte eine uralte Jazzkapelle, Kontrabaß und Trommeln aus Abfalltonnen. Miranda stellte sich am Eingang auf die Zehenspitzen und hielt nach der Party Ausschau, sah aber lediglich weiße Luftschifftouristen in mittleren Jahren, die langsam tanzten, sowie die übliche Riege geschniegelter junger Chinesen an der Bar.
    Schließlich fuhr sie in den achten Stock hinauf, wo die schicken Restaurants lagen. Der große Festsaal war von einer abstoßend wohlhabenden Organisation gemietet worden und voll von Männern in einschüchternd teuren Anzügen und Frauen in noch ein-schüchternderen Kleidern, dazwischen vereinzelte, konservativer – aber dennoch luxuriös und kostspielig - gekleidete Viktorianer. Die Musik war gedämpft, nur ein Chinese im Smoking, der Jazz am Flügel spielte, aber auf einer Bühne am Ende des Raums baute gerade eine größere Kapelle ihre Instrumente auf.
    Sie wollte gerade weitergehen und fragte sich, in welchem Hinterzimmer sie das Lumpenproletariat der Schauspieler finden mochte, als sie hörte, wie jemand von drinnen ihren Namen rief.
    Carl Hollywood schritt mitten durch den Ballsaal, als gehörte ihm der Laden, und kam auf sie zu; er trug prachtvolle handgefertigte Cowboystiefel aus zahlreichen weichen und exotischen Vogel-und Reptilienhäuten und darüber ein weites Gewand, eine Mischung zwischen einem Cape und einem Westernmantel, das fast über den Boden streifte und in dem er aussah, als wäre er zwei Meter zehn groß und nicht nur ein Meter fünfundneunzig. Das blonde Haar hatte er aus der Stirn gekämmt, sein Tut-Ench-Amun-Bart war gewichst und schnurgerade. Er sah umwerfend aus und wußte es, und seine blauen Augen durchbohrten Miranda und hielten sie an der offenen Fahrstuhltür fest, durch die sie um ein Haar entkommen wäre.
    Er umarmte sie fest und wirbelte sie herum. Sie drückte sich an ihn und schirmte sich in seinem Umhang vor der Menschenmenge im Ballsaal ab. »Ich sehe beschissen aus«, sagte sie. »Warum hast du mir nicht gesagt, daß es so eine Party ist?«
    »Warum hast du es nicht gewußt?« sagte Carl. Als Regisseur besaß er unter anderem die Begabung, die denkbar schwierigsten Fragen zu stellen.
    »Ich hätte etwas anderes angezogen. Ich sehe aus wie -«
    »Du siehst aus wie eine junge Boheme
-artiste«,
sagte Carl, wich zurück und betrachtete ihr typisches, enganliegendes schwarzes Trikot, »die sich einen Scheißdreck um schicke Kleidung schert, die allen anderen im Saal das Gefühl gibt, daß sie viel zu scharf angezogen sind, und der man es nachsieht, weil sie das gewisse Etwas hat.«
    »Du alter Süßholzraspler«, sagte sie. »Du weißt genau, daß das Quatsch ist.«
    »Vor ein paar Jahren wärst du in diesem Raum gesegelt, hättest dein süßes Kinn hochgestreckt wie eine Ramme, und alle wären zurückgewichen, um dich anzusehen. Warum jetzt nicht?«
    »Ich weiß nicht«, sagte Miranda. »Ich glaube, durch diese Sache mit Nell bin ich in den Genuß aller Nachteile der Elternschaft gekommen, ohne selbst tatsächlich ein Kind zu haben.«
    Carl entspannte sich und wurde lockerer, und Miranda wußte, sie hatte das gesagt, worauf er gehofft hatte. »Komm her«, sagte er. »Ich möchte dich jemandem vorstellen.«
    »Wenn du versuchst, mich mit

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