Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Diamond Age - Die Grenzwelt

Titel: Diamond Age - Die Grenzwelt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
Vom Netzwerk:
einem reichen Hurensohn zu verkuppeln -«
    »Würde mir nicht im Traum einfallen.«
    »Ich will keine Hausfrau werden, die in ihrer Freizeit schauspielert.«
    »Das ist mir klar«, sagte Carl. »Und jetzt reg dich wieder ab.«
    Miranda ignorierte nachdrücklich die Tatsache, daß sie inzwischen mitten durch den Ballsaal gingen. Carl Hollywood zog alle Aufmerksamkeit auf sich, was ihr nur recht war. Sie lächelte zwei Rakteuren zu, die in der interaktiven Einladung mitgespielt hatten, der sie hierher gefolgt war; beide schienen offenbar eine freundschaftliche und angeregte Unterhaltung mit wohlhabenden Leuten zu führen, wahrscheinlich Investoren.
    »Wem willst du mich vorstellen?«
    »Einem Mann namens Beck. Alter Bekannter von mir.«
    »Aber kein Freund?«
    Carl ließ ein unbehagliches Grinsen sehen und zuckte die Achseln. »Wir waren mal Freunde. Und Kollaborateure. Geschäftspartner. So läuft das im Leben, Miranda: Nach einer gewissen Zeit hat man sich ein Netz von Leuten aufgebaut. Man läßt ihnen Datenschnipsel zukommen, die interessant für sie sein könnten, und umgekehrt. Für mich ist er einer von diesen Jungs.«
    »Ich frage mich, warum ich ihn kennenlernen soll.«
    »Ich glaube«, sagte Carl ganz leise, aber mit einem Schauspielertrick, so daß sie jedes Wort verstehen konnte, »daß dieser Gentleman dir helfen kann, Nell zu finden. Und daß du ihm helfen kannst, etwas zu finden, das er will.«
    Damit wich er mit wirbelndem Mantel beiseite und zog einen Stuhl für sie zurück. Sie waren in einer Ecke des Ballsaals angelangt. Auf der anderen Seite des Tisches saß mit dem Rücken zu einem großen Fenster mit Marmorsims ein junger Afrikaner mit Dread-locks und einer dunklen Brille mit winzigen kreisrunden Gläsern, die von einem unfaßbar komplexen metallenen Raumgitter gehalten wurden, während der beleuchtete Bund und die mediatronische Kakophonie von Pudong blutrotes Licht auf die glänzenden Schulterpolster seines Anzugs warfen. Neben ihm saß ein nipponesischer Geschäftsmann, den Miranda allerdings kaum bemerkte, in einem dunklen, formellen Kimono, der offenbar eine altmodische durch und durch krebserregende Zigarre rauchte.
    »Miranda, das sind Mr. Beck und Mr. Oda, beide Freibeuter. Gentlemen, Miss Miranda Redpath.«
    Beide Männer nickten, das kümmerliche Überbleibsel einer Verbeugung, aber keiner traf Anstalten, ihr die Hand zu schütteln, was auch nicht weiter tragisch war - heutzutage konnten einige erstaunliche Dinge durch Handkontakt übertragen werden. Miranda erwiderte das Nicken nicht einmal; sie setzte sich einfach und ließ sich von Carl den Stuhl unterschieben. Sie konnte Leute nicht leiden, die sich als Freibeuter bezeichneten. Es war lediglich ein prätentiöses anderes Wort für Thete - jemand, der keinem Stamm angehörte.
    Möglicherweise gehörten sie aber doch einem Stamm an – dem Aussehen nach wahrscheinlich einer abgedrehten synthetischen Phyle, von der sie noch nie etwas gehört hatte - und gaben aus unerfindlichen Gründen vor, daß es anders wäre.
    Carl sagte: »Ich habe den Herren erklärt, ohne ins Detail zu gehen, daß du gerne das Unmögliche möglich machen würdest. Kann ich dir etwas zu trinken holen, Miranda?«
    Als Carl Hollywood gegangen war, herrschte längere Zeit Schweigen, während Mr. Beck wahrscheinlich Miranda anstarrte, was sie aufgrund der dunklen Brille nicht sagen konnte. Mr. Odas Hauptfunktion schien in der eines nervösen Zuschauers zu bestehen, als hätte er sein halbes Vermögen darauf gesetzt, ob Miranda oder Mr. Beck zuerst das Wort ergreifen würde.
    Mr. Oda schien ein strategischer Schachzug einzufallen. Er zeigte auf die Bühne und nickte vielsagend. »Mögen Sie diese Band?«
    Miranda sah zu der Kapelle, ein halbes Dutzend Männer und Frauen verschiedener Hautfarbe. Mr. Odas Frage war schwer zu beantworten, weil sie bisher noch keine Musik gemacht hatten. Sie sah Mr. Oda an, der vielsagend auf sich selbst deutete.
    »Oh. Sind Sie der Sponsor?« sagte Miranda.
    Mr. Oda zog einen kleinen, glitzernden Gegenstand aus der Tasche und schob ihn über den Tisch zu Miranda. Es war eine Brosche in Form einer Libelle. Ihr war schon zuvor aufgefallen, daß einige der Partygäste ähnliche trugen. Sie hob sie vorsichtig auf. Mr. Oda klopfte sich ans Revers und nickte ihr ermutigend zu, sie anzustecken.
    Sie ließ sie vorläufig auf dem Tisch liegen.
    »Ich sehe nichts«, sagte Mr. Beck schließlich, an Mr. Oda gewandt. »Auf den ersten Blick ist sie

Weitere Kostenlose Bücher