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Diamond Age - Die Grenzwelt

Titel: Diamond Age - Die Grenzwelt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
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zu vermitteln.«
    »Dazu gehören heutzutage eine Menge Sparten.«
    »Ja, aber das sollte nicht sein. Das soll heißen, daß die Unterscheidungen zwischen den Teilgebieten Quatsch sind.«
    »Was ist falsch daran, nur Raktive zu programmieren?«
    »Gar nichts«, sagte Mr. Beck, »so wie am klassischen Live-Theater nichts falsch ist, oder am Lagerfeuer zu sitzen und Geschichten zu erzählen, was mir in meiner Kindheit am Strand immer Spaß gemacht hat. Aber solange man neue Wege finden kann, ist es meine Aufgabe als Techniker, sie auch tatsächlich zu finden. Ragieren, Lady, ist Ihr Beruf. Meiner ist es, neue Technologien zu entwickeln.«
    Der Lärm der Band pulsierte inzwischen unregelmäßig. Während ihres Gesprächs ordneten sich die Pulsschläge zu einem Beat und wurden regelmäßiger. Miranda drehte sich um und beobachtete die Leute auf der Tanzfläche. Alle standen mit verträumten Gesichtern herum und konzentrierten sich auf etwas. Inzwischen blitzten ihre Libellenbroschen heftig und vereinigten sich bei jedem Beat zu einem grellweißen Lichtblitz. Miranda begriff, daß die Anstecker irgendwie mit dem Nervensystem ihrer Träger verbunden waren und untereinander in Verbindung standen, um die Musik im Kollektiv zu erschaffen. Ein Gitarrist improvisierte ein Riff über das allmählich gerinnende Soundmuster, und der Sound paßte sich ihm an als die Tänzer die Melodie hörten. Eine Rückkopplungsschleife war entstanden. Eine junge Frau sang einen tonlosen Sprechgesang, der sich improvisiert anhörte. Im weiteren Verlauf ließ sie eine Melodie erklingen. Die Musik war immer noch schräg und formlos, näherte sich aber etwas, das man auf einer professionellen Platte hören konnte.
    Miranda drehte sich wieder zu Mr. Beck um. »Sie glauben, Sie haben eine neue Methode gefunden, um Sinn mittels Technologie zu vermitteln –« »Medium.«
    »Ein neues Medium, und das kann mir helfen zu bekommen, was ich will. Denn wenn ein Sinn im Spiel ist, lassen sich die Gesetze der Wahrscheinlichkeit außer Kraft setzen.«
    »Zwei Fehler sind in Ihren Mutmaßungen enthalten. Erstens: Ich habe das Medium nicht erfunden, sondern andere, ich bin nur darüber gestolpert oder habe, besser gesagt, Andeutungen gehört. Was die Gesetze der Wahrscheinlichkeit angeht, meine Dame, die kann man nicht außer Kraft setzen, ebensowenig wie andere mathematische Gesetze. Aber die Gesetze der Mathematik und Physik sind wie ein Koordinatensystem, das nur in einer Dimension verläuft. Möglicherweise existiert eine andere Dimension lotrecht dazu, unsichtbar für diese Gesetze der Physik, die dieselbe Sache mit anderen Gesetzen beschreibt, und diese Gesetze sind in unsere Herzen geschrieben, tief drinnen, wo wir sie nicht lesen können, es sei denn, in unseren Träumen.«
    Miranda sah Mr. Oda an und hoffte, er würde blinzeln oder so etwas, aber er sah mit schrecklich ernster Miene auf die Tanzfläche, als würde er selbst angestrengt nachdenken, und nickte unmerklich. Miranda holte tief Luft und seufzte.
    Als sie Mr. Beck wieder ansah, beobachtete er sie und registrierte ihre Neugier gegenüber Mr. Oda. Er drehte die Handfläche einer Hand nach oben und rieb sich mit dem Daumen über die Fingerspitzen.
    Also war Beck der Hacker und Oda der Sponsor. Die älteste und gefährlichste Beziehung in der technologischen Welt.
    »Wir benötigen einen dritten Teilnehmer«, sagte Mr. Beck, der ihre Gedanken zu erraten schien.
    »Wofür?« fragte Miranda ausweichend und defensiv zugleich.
    »Alle Technomedienunternehmungen haben dieselbe Struktur«, sagte Mr. Oda und regte sich zum erstenmal seit einer ganzen Weile wieder. Inzwischen hatte sich eine hübsche Synergie zwischen Band und Publikum gebildet, und es wurde mehr denn je getanzt -einschüchternd komplexe Figuren, aber auch urwüchsiges Herumtoben. »Ein dreibeiniges Stativ.« Oda hob eine Faust und streckte Finger aus, um es darzustellen. Miranda bemerkte, daß seine Finger knotig und gekrümmt waren, als wären sie alle schon häufig gebrochen worden. Mr. Oda praktizierte möglicherweise gewisse Kampfsportarten, die wegen ihrer Herkunft aus der Unterschicht heute bei den meisten Nipponesen verpönt waren. »Erstes Standbein: neue technologische Idee. Mr. Beck. Zweites Standbein: angemessene finanzielle Unterstützung. Mr. Oda. Drittes Standbein: der Künstler.«
    Die Herren Beck und Oda sahen Miranda vielsagend an. Sie warf den Kopf zurück und stieß ein helles, durchdringendes Lachen aus, das die

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