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Diamond Age - Die Grenzwelt

Titel: Diamond Age - Die Grenzwelt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
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Auftreten, daß niemand bei klarem Verstand wagte, ihn zu verarschen, besonders wo sie das Visier und seine schwarze Lederkluft sahen. Er bekam, was er wollte, indem er die Leute einfach scharf ansah.
    Es wurde Zeit, die Leiter hochzuklettern. Er suchte Arbeit als Spitzel. Das war nicht leicht. Die alternative pharmazeutische Industrie bediente sich einer kurzfristigen Ad hoc-Auslieferung und hielt nie größere Stückzahlen auf Lager, damit die Cops nichts zu beschlagnahmen hatten. Der Stoff wurde in illegalen Materie-Compilern erzeugt, in leerstehende Billigmietskasernen geschafft und von Kurieren zu den Dealern auf der Straße befördert. Derweil zog ein ganzer Schwarm Spitzel und Lockvögel durch die Gegend, die aber nie lange genug an einer Stelle blieben, daß man sie wegen Herumlungerns hätte festnehmen können, und mit Visieren in ihren Sonnenbrillen nach Cops (oder Aufklärungssonden der Cops) Ausschau hielten.
    Als Bud seinem letzten Boß gesagt hatte, daß er sich ins Knie ficken sollte, war er überzeugt gewesen, daß er einen Kurierjob bekommen könnte. Aber das hatte nicht hingehauen, und seither waren weitere Luftschiffe aus Nordamerika gekommen und hatten weißen und schwarzen Abschaum zu Tausenden auf den Stellenmarkt ausgeschüttet. Jetzt ging Bud das Geld aus, und er hatte es satt, den kostenlosen Fraß der öffentlichen Materie-Compiler zu essen.
    Die Peacock Bank war ein gutaussehender Mann mit graumeliertem Spitzbart, der nach Zitrus duftete und einen mehr als schicken zweireihigen Anzug trug, der seine schlanke Taille vorteilhaft betonte. Er saß in einem eher schäbigen Apartment über einem Reisebüro in einem der düsteren Blocks zwischen dem Aerodrom und dem Hafenviertel mit seinen Bordellen.
    Der Banker sagte nicht mehr viel, nachdem sie einander die Hand geschüttelt hatten, sondern verschränkte nur die Arme und lehnte sich abwartend an seinen Schreibtisch. In dieser Haltung hörte er sich Buds gerade eben zusammengeschusterte Ausflüchte an und nickte von Zeit zu Zeit, als hätte Bud etwas Wichtiges gesagt. Das war ein wenig beunruhigend, da Bud selbst wußte, es war alles Affenscheiße, aber er hatte tatsächlich schon gehört, daß diese Schwachköpfe sich etwas auf ihre Kundenbetreuung einbildeten.
    An einer beliebigen Stelle seines Monologs unterbrach der Banker Bud einfach dadurch, daß er ihn stechend ansah. »Sie möchten eine Kreditkarte haben«, sagte er, als wäre er angenehm überrascht, was nicht sehr wahrscheinlich war.
    »So könnte man es ausdrücken«, gab Bud zu und wünschte sich, er selbst hätte es in eine so elegante Terminologie kleiden können.
    Der Banker griff in sein Jackett und holte ein zusammengefaltetes Blatt Papier aus der Brusttasche. »Möglicherweise möchten Sie sich diese Broschüre zu Gemüte führen«, sagte er zu Bud, worauf er zu der Broschüre selbst etwas in einer fremden Sprache sagte. Als Bud sie dem Banker aus der Hand nahm, generierte das leere Blatt ein hübsches animiertes Farblogo und Musik. Das Logo entwickelte sich zu einem Pfau. Darunter begann eine Videopräsentation mit einem ähnlich exotischen Gentleman als Sprecher - er sah irgendwie indisch aus, aber gleichzeitig irgendwie arabisch. »›Die Parsis heißen sie in der Peacock Bank willkommen‹«, sagte er.
    »Was ist ein Parsi?« sagte Bud zu dem Banker, der lediglich die Lider eine Winzigkeit sinken ließ und mit seinem Spitzbart auf das Blatt Papier nickte, das seine Frage aufgegriffen und bereits eine Erklärung aufgerufen hatte. Am Ende bedauerte Bud, daß er gefragt hatte, denn die Antwort entpuppte sich als jede Menge unverbindliches Blabla über diese Parsis, die offenbar ganz eindeutig sicherstellen wollten, daß niemand sie mit Schwachköpfen oder Pakis oder Arabern verwechselte – nicht, daß sie mit diesen sehr ehrwürdigen ethnischen Gruppen irgendwelche Probleme hätten, wohlgemerkt. Sosehr er sich bemühte, nicht zuzuhören, erfuhr Bud doch mehr über die Parsis, ihre abgefahrene Religion, ihren nomadischen Lebensstil und sogar ihre Scheißküche, die gruselig aussah, ihm aber trotzdem das Wasser im Mund zusammenlaufen ließ, als er je wollte. Dann kam die Broschüre wieder zum Thema, und das waren Kredite.
    Bud hatte das alles schon einmal gesehen. Die Peacock Bank bediente sich desselben Verfahrens wie alle anderen: Wenn sie einen akzeptierten, schossen sie einem die Kreditkarte einfach rein, hier und jetzt, auf der Stelle. Die Jungs implantierten sie in das

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