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Diamond Age - Die Grenzwelt

Titel: Diamond Age - Die Grenzwelt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
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Auge hineinspähte. Wenn er in die auf diese Weise geformte Tasche sah, konnte er flimmerndes Licht in der Dunkelheit sehen – als würde er in eine Höhle voller Glühwürmchen schauen, nur hatten diese Lichter alle unterschiedliche Farben, und alle waren so rein und klar wie Juwelen.
    Leute, die in den LPs lebten und besagte Geste ausführten, bekamen mitunter ein Gefühl dafür, was sich in der mikroskopischen Welt abspielte. Sie konnten erkennen, wenn etwas im Busche war. Wurde die Geste während eines Tonerkriegs durchgeführt, waren die Ergebnisse atemberaubend.
    Heute herrschte keineswegs ein Toben wie bei einem Tonerkrieg, doch es war spektakulär genug. Richter Fang vermutete, daß das etwas mit der Natur dieses Ausflugs zu tun hatte und Miss Pao nicht preisgeben wollte.
    Sie landeten in einem Restaurant. Miss Pao bestand auf einen Tisch draußen auf der Terrasse, obwohl es nach Regen aussah. Letztendlich hatten sie Ausblick auf die drei Stockwerke tiefer gelegene Straße. Selbst auf die kurze Entfernung fiel es schwer, Gesichter in dem Nebel zu erkennen.
    Miss Pao zog ein rechteckiges, in Nanofolie gewickeltes Päckchen aus ihrer Tasche. Sie packte es aus und brachte zwei etwa gleich große und gleich geformte Gegenstände zum Vorschein: ein Buch und einen Holzklotz. Beides legte sie nebeneinander auf den Tisch. Dann konzentrierte sie ihre ganze Aufmerksamkeit auf die Speisekarte. Sie schenkte ihnen noch mehrere Minuten keinerlei Beachtung, derweil sie und Chang und Richter Fang Tee tranken, höflich Konversation machten und aßen.
    »Wenn es Euer Ehren recht ist«, sagte Miss Pao, »würde ich Sie jetzt bitten, die beiden Gegenstände hier auf dem Tisch zu betrachten.«
    Richter Fang bemerkte erstaunt, daß sich der Holzklotz nicht verändert hatte, das Buch dagegen von einer dicken Staubschicht bedeckt war, als hätte es jahrzehntelang Schimmel angesetzt.
    »Oooh«, stieß Chang hervor, saugte eine lange Nudel in den Mund und sah das eigentümliche Ausstellungsstück mit großen Augen an.
    Richter Fang stand auf, ging um den Tisch herum und bückte sich zu einer eingehenderen Untersuchung. Der graue Staub war nicht gleichförmig auf dem Buch verteilt; an den Rändern des Einbands schien er viel dicker zu sein. Er schlug das Buch auf und stellte zu seiner Überraschung fest, daß der Staub bis weit zwischen die Seiten gedrungen war.
    »Das ist Staub mit einem Ziel im Leben«, stellte Richter Fang fest.
    Miss Pao schaute vielsagend zu dem Holzklotz. Richter Fang hob ihn auf und betrachtete ihn von allen Seiten. Das Holz war vollkommen unbefallen.
    »Und die Substanz kann Unterscheidungen treffen!« sagte Richter Fang.
    »Es handelt sich um konfuzianischen Toner«, sagte Chang, dem es endlich gelungen war, seine Nudeln hinabzuwürgen. »Mit einer Vorliebe für Bücher.«
    Der Richter lächelte nachsichtig und sah Miss Pao, um eine Erklärung heischend, an. »Ich nehme an, Sie haben eine neue Milbenart gefunden?«
    »Es ist noch viel interessanter«, sagte Miss Pao. »Innerhalb der letzten Wochen sind nicht nur eine, sondern
zwei
neue Milbenarten in den Leasing-Parzellen aufgetaucht – und beide sind darauf programmiert, nach allem zu suchen, das wie ein Buch aussieht.« Sie griff wieder in ihre Tasche und reichte ihrem Meister ein zusammengerolltes Blatt Mediatronpapier.
    Eine Kellnerin eilte herbei und half, die Teller und Teetassen beiseite zu räumen. Richter Fang rollte das Blatt auf und beschwerte die Ecken mit verschiedenen Fayencestücken. Das Papier war in zwei Quadranten eingeteilt, und jeder zeigte die vergrößerte Darstellung eines mikroskopischen Mechanismus. Richter Fang konnte sehen, daß beide dafür geschaffen waren, sich durch die Luft fortzubewegen, aber darüber hinaus hätten sie unterschiedlicher nicht sein können. Einer sah wie ein Werk der Natur aus; er besaß mehrere bizarre und komplizierte Arme und vier große, gewundene, sondenartige Auswüchse in Winkeln von neunzig Grad angeordnet.
    »Die Ohren einer Fledermaus!« rief Chang aus und versuchte, ihre unvorstellbar komplexen Schnörkel mit der Spitze eines Eß-stäbchens nachzuzeichnen. Richter Fang sagte nichts, dachte aber daran, daß gerade diese blitzschnellen Erkenntnisse zu Changs Spezialitäten gehörten.
    »Es scheint ein Echolot zu verwenden wie eine Fledermaus«, gab Miss Pao zu. »Bei dem anderen handelt es sich, wie Sie unschwer erkennen können, um ein radikal anderes Design.«
    Die andere Milbe sah wie ein von

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