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Diamond Age - Die Grenzwelt

Titel: Diamond Age - Die Grenzwelt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
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vernehmen und zusätzliche Informationen gewinnen, indem wir ihre Reaktionen studieren. Ich werde über die richtige Lösung für dies alles nachdenken. Beschäftigen wir uns derweil mit dem Mädchen. Chang, besuchen Sie ihr Apartment, und finden Sie heraus, ob es dort zu Vorfällen gekommen ist – ob fragwürdige Figuren sich herumtreiben.«
    »Bei allem gebührenden Respekt, Sir, ist jeder, der im Haus des Mädchens lebt, eine fragwürdige Figur.«
    »Sie wissen, was ich meine«, sagte Richter Fang nicht ohne Strenge. »Das Gebäude müßte über ein System verfügen, das Nano-siten aus der Luft filtert. Wenn dieses System ordentlich funktioniert, und wenn das Mädchen nicht mit dem Buch das Haus verläßt, dürfte sie denen hier nicht auffallen.« Der Richter zog einen Strich in den Staub auf dem Buch und verrieb den Toner zwischen seinen Fingern. »Sprechen Sie mit dem Besitzer des Gebäudes, und lassen Sie ihn wissen, daß seine Luftfilteranlage reif für eine Wartung ist, und zwar wirklich und wahrhaftig, nicht nur als Vorwand für ein Schmiergeld.«
    »Ja, Sir«, sagte Chang. Er schob seinen Stuhl zurück, stand auf, verbeugte sich, verließ das Restaurant und verweilte nur kurz am Ausgang, um sich einen Zahnstocher aus dem Spender zu ziehen. Es wäre akzeptabel gewesen, wenn er sein Mittagessen beendet hätte, doch hatte Chang schon früher Sorge um das Wohlbefinden des Mädchens zum Ausdruck gebracht und wollte offenbar keine Zeit vergeuden.
    »Miss Pao, bringen Sie Überwachungsanlagen in der Wohnung des Mädchens an. Anfangs werden wir die Bänder täglich wechseln und ansehen. Sollte das Buch nicht in Kürze entdeckt werden, wechseln wir sie nur noch in wöchentlichem Turnus.«
    »Ja, Sir«, sagte Miss Pao. Sie zog ihre Phänomenoskopbrille auf. Buntes Licht spiegelte sich in ihren Augen, als sie sich in einer Art Schnittstelle versenkte. Richter Fang füllte seine Tasse nach, hielt sie in der hohlen Handfläche und schlenderte zum Rand der Terrasse. Er mußte über weitaus wichtigere Dinge als das Mädchen und ihr Buch nachdenken, hegte aber den Verdacht, daß er von nun an kaum mehr an etwas anderes denken würde.
     

Eine Beschreibung von Alt-Shanghai;
die Situation des Theatre Farnasse;
Mirandas Beruf.
    Bevor die Europäer es in die Fänge bekamen, war Shanghai ein befestigtes Dorf am Fluß Huang Pu gewesen, einige Meilen westlich von der Stelle, wo er in den Jangtse mündete. Die Architektur entsprach weitgehend dem hochentwickelten Stil der Ming-Dynastie; Privatgärten für reiche Familien; eine Einkaufsstraße hier und da, die Elendsviertel verbarg; ein baufälliges, schwindelerregendes Teehaus, das auf einer Insel mitten in einem Teich aufragte. In jüngerer Zeit war die Stadtmauer abgerissen worden und einer Art Durchgangsstraße gewichen, die man auf ihren Fundamenten erbaut hatte. Das alte Franzosenviertel schmiegte sich an die Nordseite, und in diesem Viertel, an einer Ecke, von der man über die Ringstraße in die Altstadt schauen konnte, war das Theatre Par-nasse Ende des neunzehnten Jahrhunderts erbaut worden. Miranda arbeitete seit fünf Jahren dort, doch war die Erfahrung derart intensiv gewesen, daß es ihr oft wie fünf Tage vorkam.
    Europäer hatten das Parnasse in einer vergangenen Zeit erbaut, als es ihnen noch bitterer Ernst mit ihrem Europäertum gewesen war. Die Fassade entsprach klassischem Stil: ein von korinthischen Säulen getragenes, ganz in Kalkstein erbautes dreiviertelrundes Vordach an der Straßenecke. An dem Vordach prangte eine weiße Markise, Baujahr etwa 1990, von purpur- und pinkfarbenen Neonröhren gesäumt. Es wäre ein leichtes gewesen, sie abzureißen und durch etwas Mediatronisches zu ersetzen, aber sie fanden Spaß daran, Bambusleitern aus der Requisite zu holen und die schwarzen Plastikbuchstaben anzubringen, die kundtaten, was am Abend gespielt wurde. Manchmal ließen sie den großen Mediatronschirm herab und zeigten Filme; dann kamen die Leute aus dem Westen in Scharen, in Smoking und Abendkleid geworfen, saßen im Dunkeln und sahen sich
Casablanca
oder
Der mit dem Wolf tanzt
an. Mindestens zweimal im Monat stand das Ensemble Parnasse selbst auf der Bühne: Dann wurden sie für eine Nacht Akteure, nicht Rakteure, samt Beleuchtung und Schminke und Kostümen. Das schwierigste war, das Publikum zu schulen; wenn es sich nicht um Theaternarren handelte, wollten sie immer auf die Bühne laufen und interagieren, was die ganze Sache störte. Theater live entsprach

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