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Diamond Age - Die Grenzwelt

Titel: Diamond Age - Die Grenzwelt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
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'siten die Wirbelsäule des Gefangenen hinauf-und hinabgewandert, träge durch die Cerebrospinalflüssigkeit geschwommen und hatten sich an allen Empfindungsnerven festgesetzt, mit denen sie zufällig in Kontakt kamen. Diese Nerven, welche der Körper benutzte, um Informationen wie (um nur ein Beispiel zu nennen) diabolische Schmerzen an das Gehirn zu übermitteln, besaßen eine eindeutige Beschaffenheit und Form, welche die schlauen 'siten erkennen konnten. Wahrscheinlich erübrigt es sich, eigens darauf hinzuweisen, daß diese 'siten noch eine weitere hervorstechende Eigenschaft besaßen, nämlich die Fähigkeit, falsche Informationen über besagte Nerven zu übermitteln.
    Diese winzige Narbe, dicht über den Pobacken, zog stets Richter Fangs Aufmerksamkeit auf sich, wenn er den Vorsitz über eine derartige Prozedur führte, was glücklicherweise nur ein paarmal im Jahr vorkam. PhyrePhox, ein echter Rothaariger, hatte eine leichenblasse Haut.
    »Cool!« rief der Gefangene plötzlich aus, wirbelte den Kopf in einem Durcheinander von Dreadlocks herum und versuchte, so gut er konnte, über seine sommersprossige Schulter nach unten zu sehen. »Ich hab das Gefühl, als ob mich was streichelt, wie echt weiches Fell oder so was an der Innenseite meines linken Schenkels. Das ist so rattenscharf! Machen Sie das noch mal, Mann! Boa, Augenblick mal! Jetzt hab ich dasselbe Gefühl, aber an der rechten Fußsohle!«
    »Die Kopplung der Nanositen an die Nerven ist ein vom Zufall bestimmter Vorgang – wir wissen nie, welcher Nanosit wo landen wird. Die Empfindungen, die Sie gerade verspüren, sind ein Mittel für uns, Inventur zu machen. Selbstverständlich geschieht rein gar nichts mit Ihrem Fuß oder Ihrem Schenkel; alles spielt sich in der Wirbelsäule ab, und Sie würden es sogar dann spüren, wenn Ihre Beine amputiert wären.«
    »Das ist echt schrill«, rief PhyrePhox aus, und seine blaßgrünen Augen wurden groß vor Staunen. »Also könnten Sie sogar einen, hm, Krüppel foltern.« Auge und Wange auf einer Seite zuckten. »Verdammt! Fühlt sich an, als würde jemand mein Gesicht kitzeln.
    He, aufhören!« Ein Grinsen erhellte sein Gesicht. »O nein! Ich sage Ihnen alles! Nur kitzeln Sie mich nicht! Bitte!«
    Chang war zuerst erstaunt und dann wütend darüber, wie sich der Gefangene einfach über das Protokoll hinwegsetzte, und ging einen Schritt auf das an der Wand befestigte Regal mit den Stöcken zu. Richter Fang hielt seinen Assistenten zurück, indem er ihm seine Hand auf die Schulter legte; Chang schluckte seine Wut hinunter, holte tief Luft und verbeugte sich, um Verzeihung bittend.
    »Wissen Sie, PhyrePhox«, sagte Richter Fang, »ich weiß die Anflüge von Heiterkeit und sogar kindlichem Staunen, mit denen Sie diese Handlung bereichern, durchaus zu schätzen. Wenn wir Leute auf die Folterbank schnallen, sind sie häufig unerfreulich mürrisch und ganz und gar keine angenehme Gesellschaft.«
    »He, Mann, ich bin immer für neue Erfahrungen zu haben. Für das hier bekomme ich eine Menge Erfahrungspunkte, was?«
    »Erfahrungspunkte?«
    »Das ist ein Witz. Aus Schwert-und-Magie-Raktiven. Sehen Sie, je mehr Erfahrungspunkte die Figur sammelt, die man verkörpert, desto mächtiger wird sie.«
    Richter Fang hob eine Hand und schlug damit dicht an seinem Kopf vorbei, so daß ein
Wusch-
Geräusch wie von einem Tiefflieger ertönte. »Die Anspielung entzog sich meinem Verständnis«, erklärte er Chang und Miss Pao, die die Geste nicht kannten.
    »Jetzt ist mir, als würde mich jemand am Trommelfell kitzeln«, sagte der Gefangene und schüttelte den Kopf hin und her.
    »Gut! Das bedeutet, daß die Nanositen sich an dem Nerv festgesetzt haben, der von Ihrem Trommelfell ins Gehirn führt. Wir betrachten es stets als ein glückliches Omen, wenn das passiert«, sagte Richter Fang, »da Schmerzimpulse, die über diesen speziellen Nerv übermittelt werden, stets einen besonders nachhaltigen Eindruck bei der Person hinterlassen. Nun werde ich Miss Pao bitten, diesen Prozeß ein paar Minuten auszusetzen, damit ich Ihrer ungeteilten Aufmerksamkeit gewiß sein kann.«
    »Cool«, sagte der Gefangene.
    »Gehen wir noch einmal durch, was wir bisher haben. Sie sind siebenunddreißig Jahre alt. Vor fast zwanzig Jahren waren Sie Mitbegründer des CryptNet-Knotenpunkts in Oakland, Kalifornien. Es handelte sich um einen ausgesprochen frühen Knotenpunkt - Nummer 178. Heute existieren selbstverständlich Zehntausende solcher

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