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Diamond Age - Die Grenzwelt

Titel: Diamond Age - Die Grenzwelt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
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sie den Eingang der Höhle freilegte, fand sie vier Puppen: einen Dinosaurier, eine Ente, ein Kaninchen und eine Frau mit langem purpurfarbenem Haar. Aber sie sah nichts Lebendiges, von dem die Stimmen stammen konnten.
    Nell und Harv zogen sich in dieser Nacht in das Dunkle Schloß selbst zurück, wo sie sich in einem Zimmer hoch in einem der Türme versteckten und schwere Möbel vor die Tür rückten, weil sie hofften, daß das die Trolle fernhalten würde. Das Zimmer hatte ein winziges Fenster, und vor dem stand Nell, beobachtete den Sonnenuntergang und fragte sich, ob sie die Sonne wieder aufgehen sehen würde. Als gerade das letzte Fünkchen rotes Licht hinter dem Horizont verschwand, spürte sie einen Lufthauch im Rücken, drehte sich um und sah etwas Erstaunliches: Die Stofftiere hatten sich in lebendige Wesen verwandelt!
    Da standen ein großer, furchteinflößender Dinosaurier, eine Ente, ein kluges kleines Kaninchen und eine Frau in einem purpurfarbenen Kleid mit purpurfarbenem Haar. Sie erklärten Nell, daß ihre gemeine Stiefmutter eine böse Hexe im Lande Jenseits war und die vier schon vor langer Zeit geschworen hatten, ihre finsteren Pläne zu vereiteln. Sie hatte sie mit einem Zauber belegt, so daß sie sich tagsüber in Puppen verwandelten und nur nachts sie selbst waren. Dann hatte sie sie in dieses Schloß verbannt, wo die Trolle sie in einer Höhle eingesperrt hatten. Sie dankten Nell für ihre Befreiung.
    Danach erzählte Nell ihnen ihre eigene Geschichte. Als sie erwähnte, wie sie und Harv in goldenen Gewändern aus dem Meer gefischt worden waren, sagte die Frau namens Purpur: »Das bedeutet, du bist eine wahre Prinzessin, und darum schwören wir dir unverbrüchliche Treue.« Alle vier ließen sich auf ein Knie nieder und legten einen Eid ab, daß sie Prinzessin Nell mit ihrem Leben verteidigen würden.
    Dinosaurier, der tapferste von allen, begann einen Feldzug gegen die Trolle, die binnen weniger Tage samt und sonders vertrieben wurden. Danach verlief Nells Schlaf ruhig, denn sie wußte, daß die furchteinflößenden Trolle, die ihr einst Alpträume bereitet hatten, durch ihre vier nächtlichen Freunde ersetzt worden waren.
     

Die Folterkammer des Richter Fang;
ein Barbar wird verhört;
düstere Vorkommnisse im Inneren Chinas;
ein unüberhörbarer Ruf von Dr. X.
    Es geschah nicht häufig, daß Richter Fang Menschen folterte. Verschiedene Gründe waren dafür verantwortlich. Unter dem neuen System der Konfuzianischen Rechtsprechung war es nicht mehr erforderlich, daß ein Verbrecher ein Geständnis unterschrieb, bevor die Strafe vollstreckt werden konnte; es genügte, wenn das Gericht ihn aufgrund der Indizien für schuldig befand. Das allein enthob den Richter der Notwendigkeit, viele Menschen, die vor ihn gebracht wurden, der Folter auszusetzen, obschon er nicht selten in Versuchung geriet, Geständnisse aus anmaßenden westlichen Thetes herauszuprügeln, die keine Verantwortung für ihre eigenen Taten übernehmen wollten. Darüber hinaus machte die moderne Überwachungstechnologie es möglich, Informationen zu sammeln, ohne auf (manchmal zurückhaltende) menschliche Zeugen angewiesen zu sein, wie es die Gerichte von ehedem gewesen waren.
    Der Mann mit den roten Dreadlocks war ein sehr widerwilliger Zeuge, doch unglücklicherweise war die Information in seinem Gehirn einmalig. Kein fliegender Cine-Aerostat und keine mikroskopische Überwachungsmilbe hatte die Daten aufgezeichnet, die Richter Fang brauchte. Aus diesem Grund hatte das Gericht beschlossen, auf die seit langem bewährten Methoden seiner ehrwürdigen Vorgänger zurückzugreifen.
    Chang schnallte den Gefangenen (der sich lediglich als Mr. PhyrePhox zu erkennen gab) auf ein schweres, X-förmiges Gestell, das normalerweise zum Verabreichen von Stockhieben benutzt wurde. Dies war eine rein humanitäre Geste; es würde verhindern, daß Mr. PhyrePhox wie wild durch das Zimmer zappelte und zu Schaden kam. Chang entkleidete den Gefangenen auch von der Taille an abwärts und stellte einen Eimer unter seine Ausscheidungsorgane. Dabei legte er die einzige wahrhaftige Verletzung frei, die der Gefangene im Verlauf der gesamten Prozedur erleiden würde: eine winzige, fein säuberliche Narbe am Ansatz der Wirbelsäule, wo der Gerichtsarzt am Nachmittag zuvor den Rückenmarkstropf gesetzt und unter Aufsicht von Miss Pao einen Satz Nanositen – nanotechnologische Parasiten – eingeführt hatte. In den vergangenen zwölf Stunden waren die

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