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Diamond Age - Die Grenzwelt

Titel: Diamond Age - Die Grenzwelt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
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Fang trat auf eine offene Gangway hinaus, schaute über die Reling und sah vier andere riesige Schiffe, die im Kielwasser dieses ersten folgten.
    Dr. X' dünne Stimme klang zur offenen Tür heraus. »Sie dürfen nun mich sowie die Besatzungen dieser Schiffe wegen des Verbrechens des Babyschmuggels festnehmen. Des weiteren können Sie diese Schiffe beschlagnahmen - und die Viertelmillion Winzlinge an Bord. Ich bin überzeugt, Sie können irgendwo in Ihrem Zuständigkeitsbereich qualifizierte Pfleger finden.«
    Richter Fang umklammerte die Reling mit beiden Händen und senkte den Kopf. Er stand einem klinischen Schock sehr nahe. Es wäre reiner Selbstmord, den Bluff des Doktors auffliegen zu lassen. Die Vorstellung, die Verantwortung für so viele Menschenleben zu übernehmen, hatte an sich etwas Beängstigendes. Aber der Gedanke, was aus diesen kleinen Mädchen in den Händen der korrupten Beamten der Küstenrepublik werden könnte...
    Dr. X fuhr fort: »Ich hege keine Zweifel, daß Sie einen Weg finden werden, sie zu versorgen. Wie Sie im Falle des Mädchens mit dem Buch so trefflich vorgeführt haben, sind Sie ein weiser Richter, der durchaus versteht, wie wichtig eine ordentliche Erziehung kleiner Kinder ist. Zweifellos werden Sie jedem dieser Viertelmillion Kinder dieselbe Aufmerksamkeit zuteil werden lassen wie einem einzigen kleinen Barbarenmädchen.«
    Richter Fang richtete sich kerzengerade auf, wirbelte herum und stapfte wieder zu der Tür hinein. »Schließen Sie die Tür und verlassen Sie den Raum«, sagte er zu der Kellnerin.
    Als er und der Doktor allein waren, sah Richter Fang Dr. X an, ließ sich auf die Knie sinken, beugte sich nach vorne und schlug dreimal mit der Stirn auf das Deck.
    »Bitte, Euer Ehren!« rief Dr. X aus, »ich bin derjenige, der Ihnen in dieser Form seine Ehrerbietung erweisen sollte.«
    »Ich überlege schon seit einiger Zeit eine berufliche Veränderung«, sagte Richter Fang und richtete sich in eine aufrechte kniende Haltung auf. Er verstummte, ehe er fortfuhr, und dachte noch einmal über alles nach. Aber Dr. X hatte ihm keinen Ausweg gelassen. Es wäre untypisch für den Doktor, eine Falle zu stellen, aus der es eine Fluchtmöglichkeit gab.
    Wie der Meister gesagt hatte:
Der Mechaniker, der seine Arbeit gut erledigen will, muß zuerst sein Werkzeug schärfen. In jedem Staate suche den Rat seiner ehrwürdigsten Diener und mache dir die tugendhaftesten unter seinen Gelehrten zu Freunden.
    »Eigentlich bin ich mit meinem Beruf zufrieden, aber unzufrieden mit meiner Stammeszugehörigkeit. Ich habe Ekel vor der Küstenrepublik entwickelt und bin zu dem Ergebnis gekommen, daß mein wahres Zuhause im Himmlischen Königreich liegt. Ich habe mich oft gefragt, ob das Himmlische Königreich möglicherweise Richter benötigen könnte, und seien sie noch so nichtswürdig und unqualifiziert wie ich.«
    »Das ist eine Frage, die ich mit meinen Vorgesetzten besprechen muß«, sagte Dr. X. »Bedenkt man jedoch, daß das Himmlische Königreich derzeit gar keine Richter hat, und demzufolge auch kein richtiges juristisches System, erscheint es mir mehr als wahrscheinlich, daß sich eine Stelle für jemanden mit Ihrer überragenden Begabung finden läßt.«
    »Ich begreife nun, weshalb Sie das Buch des Mädchens so dringend in Ihren Besitz bringen wollten«, sagte Richter Fang. »"Diese Kinder müssen alle eine Ausbildung erhalten.«
    »Das Buch wünsche ich mir nicht so sehr wie denjenigen, der es entwickelt hat - den Artifex Hackworth«, sagte Dr. X. »Solange sich das Buch irgendwo in den Leasing-Parzellen befand, bestand eine gewisse Hoffnung, daß Hackworth es finden konnte - es ist der Gegenstand, den er sich am sehnlichsten wünscht. Hätte ich das Buch finden können, so hätte ich diese Hoffnung zunichte machen können, und dann hätte Hackworth sich mit mir in Verbindung setzen müssen, sei es, um das Buch zurückzubekommen, sei es, um ein weiteres Exemplar zu kompilieren.«
    »Sie wünschen Sie der Dienste Hackworths zu versichern?«
    »Er wiegt tausend mindere Ingenieure auf. Und aufgrund gewisser Härten in den letzten Jahrzehnten verfügt das Himmlische Königreich nicht einmal über so viele mindere Ingenieure; sie wurden alle von der Aussicht auf Reichtum in die Küstenrepublik gelockt.«
    »Ich werde mich gleich morgen mit Hackworth in Verbindung setzen«, sagte Richter Fang. »Ich werde ihn davon in Kenntnis setzen, daß der Mann, den die Barbaren als Dr. X kennen, das

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