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Diamond Age - Die Grenzwelt

Titel: Diamond Age - Die Grenzwelt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
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Lebens Konfuzianer oder Maoist ist, aber im Augenblick spielt es auch keine Rolle: Im Konfuzianischen Weltbild werden ebenso wie im kommunistischen Bauern als die höchste und Kaufleute als die niedrigste Gesellschaftschicht betrachtet. Dieses Hotel ist nicht für Bauern.
    Schließlich kommt ein Mann im dunklen Anzug inmitten einer Truppe Leibwächter heraus. Er sieht wütender als Zhang aus und scheint zu denken, daß er das Opfer eines unverzeihlichen Streichs geworden ist. Dies ist ein Kaufmann unter Kaufleuten: der vierzehntreichste Mann der Welt, der drittreichste in China. Ihm gehören fast alle Grundstücke innerhalb einer halben Fahrstunde von diesem Hotel. Er bremst nicht ab, als er in die Einfahrt einbiegt und Zhang erkennt; er geht direkt auf ihn zu und fragt ihn, was er will, warum sich der alte Mann die Mühe gemacht hat, von Beijing herzukommen und sich mit diesem albernen Fahrradtrip in seine Geschäfte einzumischen.
    Zhang geht einfach nach vorne und flüstert dem reichen Mann ein paar Worte ins Ohr.
    Der reiche Mann weicht einen Schritt zurück, als hätte ihm Zhang einen Stoß vor die Brust gegeben. Er hat den Mund aufgemacht und zeigt makellose weiße Zähne, aber seine Augen sind blicklos. Nach einem Augenblick weicht er zwei weitere Schritte zurück, was ihm genügend Platz für sein nächstes Manöver verschafft: Er verbeugt sich, sinkt erst auf ein Knie, dann auf das andere, knickt an der Taille ab, bis er auf allen vieren liegt, dann legt er sich der Länge nach auf die säuberlich angeordneten Mosaiksteine. Er preßt das Gesicht auf das Pflaster. Er macht seinen Kotau vor Zhang Han Hua.
     
    Nacheinander verstummen die dolbyverstärkten Stimmen im Nebenzimmer, bis nur noch Dr. X und ein anderer Gentleman übrigbleiben, die um eine nebensächliche Angelegenheit feilschen und sich zwischen salbungsvoll beweihräuchernden Oratorien lange Pausen gönnen, um Pfeifen zu stopfen, Tee einzuschenken oder zu tun, was auch immer diese Leute taten, wenn sie vorgaben, einander zu ignorieren. Die Diskussion verlief im Sande und endete nicht mit einem ungestümen Ausbruch, wie Hackworth insgeheim und voller Boshaftigkeit gedacht hatte, dann zog ein junger Mann einen Vorhang beiseite und sagte: »Dr. X wird Sie jetzt empfangen.«
    Dr. X schien sich in einer liebenswürdigen, großzügigen Stimmung zu befinden, die wahrscheinlich darauf angelegt war zu vermitteln, daß er stets mit einer Rückkehr Hackworths gerechnet hatte. Er stand geflissentlich auf, schüttelte Hackworth herzlich die Hand und lud ihn zum Essen in »ein Restaurant in der Nähe« ein, wie er bedeutungsschwanger sagte, »von allerhöchster Diskretion«.
    Die Diskretion bestand darin, daß einer der gemütlichen, abgeschiedenen Speisesäle unmittelbar mit einem der Hinterzimmer des Anwesens von Dr. X verbunden war, so daß man es einfach erreichen konnte, indem man eine ziehharmonikaförmige Nanoröhre hinabschritt, die man auf einen halben Kilometer Länge hätte ziehen könnten, wenn man sie aus Shanghai fortgebracht, nach Kansas geschafft und an beiden Enden gezogen hätte. Hackworth, der blinzelnd durch die transparenten Wände der Röhre sah, während er Dr. X zum Essen begleitete, sah verschwommen mehrere Dutzend Leute, die in einem halben Dutzend verschiedener Gebäude, an denen Dr. X offenbar eine Art Wegerecht erworben hatte, einem breiten Spektrum von Tätigkeiten nachgingen. Am Ende entließ die Röhre sie in ein hübsch möbliertes Eßzimmer mit Teppichboden, das mit einer elektrischen Schiebetür versehen war. Diese Tür öffnete sich gerade, als sie sich setzten, und Hackworth strauchelte beinahe, als die Röhre nanogefilterten Wind nieste; eine strahlende, einen Meter dreißig große Kellnerin stand an der Tür, schloß die Augen und beugte sich in Erwartung des Luftzugs weit nach vorne. Im perfekten Englisch des San Fernando Valley sagte sie: »Möchten Sie gerne wissen, welche Spezialitäten wir anzubieten haben?«
    Dr. X gab sich allergrößte Mühe, Hackworth zu versichern, wieviel Verständnis und Mitgefühl er für seine Lage empfand; in einem Maße, daß Hackworth sich die meiste Zeit fragte, ob Dr. X schon darüber Bescheid gewußt hatte. »Kein Wort mehr davon, es wird alles geregelt«, sagte Dr. X plötzlich und unterbrach Hackworth damit mitten in einer wortreichen Erklärung, und danach gelang es Hackworth nicht mehr, Dr. X für das Thema zu erwärmen. Das war tröstlich, gleichzeitig aber auch beunruhigend, da er

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