Diana Palmer
Dann sein wutverzerrtes Gesicht, und wie aus weiter Ferne hörte sie seine drohende Stimme, die sagte, sie solle aufhören, ihm überall nachzustellen.
Mit einem Ruck schob Tellie J.B. weg, zog die Pyjamajacke fester um sich und verschränkte die Arme vor der Brust.
J.B. verzog den Mund zu einem Grinsen. Es war fast Schadenfreude, die aus ihm sprach, als er leise sagte: „Spielverderberin.“ Zu gern hätte er ihr jetzt die Augen geöffnet und ihr gesagt, wie es wirklich um sie stand und dass sie keine siebzehn war.
Abrupt stand er auf. „Ich muss gehen. Ich habe in der Stadt einen Termin mit einem Grundstücksmakler. Das Stück Land, das er anbietet, wäre eine ideale Erweiterung unserer Weidefläche nach Norden. Ich werde Nell sagen, dass sie dir das Frühstück bringen kann.“ Er fuhr sich nervös durchs Haar.
„Ja … danke, das wäre nett“, antwortete Tellie zögernd.
J.B. drehte sich noch einmal zu ihr um. Er fühlte sich enttäuscht und frustriert. Gleichzeitig konnte er seine Gedanken nicht davon losreißen, dass Tellie doch nicht so unnahbar war, wie er angenommen hatte. Das war Balsam für sein angeschlagenes männliches Selbstbewusstsein. Noch einmal streifte er sie mit einem Blick, als sei es schon entschieden, dass sie ihm gehörte.
„Mach dir jetzt nicht so viele Gedanken, Tellie“, meinte er aufmunternd. „Das ist alles ganz normal. Und niemand kann seine menschliche Natur ganz verleugnen – nicht einmal ich. Wir sehen uns später.“
Rasch ging er hinaus und schloss die Tür hinter sich, bevor seine „menschliche Natur“ ihn zu weiteren Unüberlegtheiten verleitete.
Die Erinnerung an die Begegnung mit J.B. verfolgte Tellie noch den ganzen Tag. Als Nell kam und ihr das Frühstück brachte, fiel ihr auf, dass Tellie verstört wirkte und ihre Wangen erhitzt waren. Tellie konnte sich damit herausreden, dass das Gewitter sie so erschreckt habe, denn sie wagte es nicht, Nell den wahren Grund anzuvertrauen.
Wie Tellie nicht anders erwartet hatte, ließ sich J.B. den ganzen Tag nicht mehr sehen, und auch am nächsten Morgen verließ er das Haus, ohne zu ihr hereinzuschauen. Dafür erschien um die Mittagszeit überraschend Grange. Da mit J.B.s Erscheinen nicht zu rechnen war, bat Nell ihn herein und kündigte, bevor sie ihn in Tellies Zimmer ließ, mit verschwörerischer Miene Besuch an.
Grange trat ein, den Stetson in der Hand. Ein dezenter, herb-männlicher Duft verriet, dass er sich gerade hatte rasieren und die Haare schneiden lassen. Lächelnd trat er näher. Unwillkürlich zog Tellie die Decke bis zum Hals hoch. Lachend entschuldigte sich Grange: „Kein Angst, ich gucke nicht.“
„Tut mir leid“, meinte auch Tellie, „aber ich empfange nur selten Herrenbesuch im Pyjama.“
„Wie geht’s?“
„Eigentlich sehr gut. Ich würde gern aufstehen, aber Nell lässt mich nicht.“
„Ist auch gut so. Bei einer Gehirnerschütterung kann man nicht vorsichtig genug sein, gerade in den ersten Tagen. Nell hat schon recht: Bleiben Sie lieber noch eine Zeit lang im Bett.“
„Ich hasse es, eingesperrt zu sein“, sagte Tellie, „und Nell und J.B. sind schlimmer als die Gefängniswärter.“
„Ich wusste gar nicht, dass es noch jemanden im Haus gibt. Ich bin ihm gerade begegnet: einem Mann mit einer richtigen Kochmütze und französischem Akzent.“
„Das ist Albert. Er ist schon länger hier. J.B. liebt die europäische Küche. Deshalb hat er ihn eingestellt.“
„Er war aber sofort verschwunden, als er Nell sah. Hat er Angst vor ihr?“
Tellie lachte. „Ich glaube schon. Es geht das Gerücht, dass Nell ihn mit einem Nudelholz durch das ganze Haus gejagt hat, als er an seinem ersten Arbeitstag versucht hatte, sich in ihrer Küche, ihrem Allerheiligsten, zu schaffen zu machen. Es bedurfte einer deutlichen Gehaltserhöhung für beide, um so etwas wie einen Waffenstillstand zwischen ihnen herzustellen.“ Tellie geriet ins Grübeln, nachdem sie das gesagt hatte. An einiges konnte sie sich schon erinnern. Wann war Albert in J.B.s Haus gekommen? Wie weit reichte ihr Gedächtnisverlust?
Grange amüsierte sich über die Geschichte. „Nell ist wirklich eine bemerkenswerte Person.“
„Das ist sie“, pflichtete Tellie ihm bei. „Sie und J.B. streiten sich zwar meistens. Aber das ist längst zu einem Ritual geworden, und keiner von beiden meint es wirklich böse.“ Plötzlich fiel ihr ein, was Nell über ihren letzten Streit erzählt hatte. Der war offenbar ernster gewesen. Warum
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