Diana Palmer
dem Sofa gesessen habe.“
Das Sofa … J.B. und diese Blondine, beide halb nackt. J.B.s Beschimpfungen. Eine streunende Katze hatte er sie genannt. Dann war sie hinausgerannt. Nell war in der Halle erschienen. All das zog wie ein Film in Zeitraffer an ihr vorbei. Die Abschlussfeier fiel ihr plötzlich wieder ein – und J.B.s Lügen, mit denen er sich herausreden wollte, dass er nicht da gewesen war. Das lächerliche Geschenk, das er Jarrett, seine Sekretärin, hatte aussuchen lassen.
Tellie presste die Hand vor den Mund und rannte an Bella Dean vorbei ins Badezimmer. Sie hatte das Gefühl, als sei ihr sämtliches Blut aus dem Kopf gewichen. Gerade rechtzeitig erreichte sie noch das Waschbecken, bevor sie sich übergab.
„Tellie?“
Als sie keine Antwort hörte, öffnete Nell vorsichtig die Tür und schaute ins Badezimmer. Dann eilte sie zu Tellie, die kreidebleich vor dem Spiegel stand und sich krampfhaft am Rand des Waschbeckens festhielt.
„Um Himmels willen, was ist mit Ihnen los?“ Nell nahm einen Waschlappen, hielt ihn unter kaltes Wasser und legte ihn Tellie auf die Stirn. „Sie sollten sich schnell wieder ins Bett legen.“
„Diese Frau …“, stieß Tellie hervor.
„Ich habe sie weggeschickt. Die kommt garantiert nicht so bald wieder.“
„Ich habe sie wiedererkannt“, sagte Tellie mit unsicherer Stimme. „Auf einmal konnte ich mich erinnern. Ich habe J.B. und sie auf dem Sofa überrascht. Dann hat J.B. mich angeschrien, ich solle ihm nicht immer hinterherlaufen. Er hat grässliche Dinge gesagt. Ich erinnere mich jetzt an jedes Wort.“ Tellie verzog, vom Schmerz überwältigt, das Gesicht. Sie wollte nicht wiederholen, was J.B. gesagt hatte. Tränen liefen ihr übers Gesicht. „Er hat gesagt, er will mich nie wieder sehen.“
„Tellie …“ Nell fehlten die Worte, um sie zu trösten.
„Warum hat J.B. mich nach all dem ausgerechnet hierher zu sich ins Haus geholt?“
„Vermutlich, weil er sich schuldig fühlt“, sagte Nell. „Er war sich darüber im Klaren, dass er für Ihren Unfall die Verantwortung trug. Und dass der Unfall noch schlimmer hätte ausgehen können, wenn Grange Sie nicht gefunden hätte.“
Tellie fuhr sich mit dem kalten, nassen Waschlappen über das Gesicht. „Schlechtes Gewissen – das ist es“, sagte sie leise zu sich selbst. Jetzt war ihr auch das endlich klar. Seine leidenschaftlichen Küsse waren nichts weiter als der Versuch, sein schlechtes Gewissen zu beruhigen. Sie änderten nichts an dem, was er ihr gesagt hatte. Er fand sie hässlich, weil sie mager wie ein Junge war. Auch die Szene in Marges Küche kam ihr wieder in den Sinn, als Bella sie so herablassend behandelt und beleidigt hatte und J.B. später von ihr verlangte, sie solle sich bei Bella entschuldigen.
Wieder wischte sie sich die Tränen ab. „Ich möchte zurück zu Marge“, sagte sie dann entschlossen. „So schnell wie möglich – und bevor er zurückkommt.“ Sie wandte ihr Gesicht zu Nell. „Ich will ihn nie mehr sehen.“
10. KAPITEL
Tellie war nicht dazu zu bewegen, länger in J.B.s Haus zu bleiben. Nell konnte sie nicht umstimmen, auch nicht mit dem Hinweis darauf, dass J.B. nicht vor Montag zurückzuerwarten sei. Tellies Gedächtnis schien wieder auf der Höhe zu sein. Sie erinnerte sich an Marges Herzinfarkt und war zunächst außer sich vor Sorge, bis Nell sie beruhigte und ihr versicherte, dass Marge schon auf dem Wege der Besserung sei und dass der vergleichsweise harmlose Infarkt ein Warnschuss zur rechten Zeit gewesen sei, der ihr vielleicht sogar das Leben gerettet habe.
Der Rückkehr zu Marge stand nun nichts mehr im Wege. Als Nächstes erkundigte sie sich telefonisch bei Justin Ballenger nach ihrem Job, und ein Stein fiel ihr vom Herzen, als Justin ihr sagte, dass sie jederzeit im Büro wieder willkommen sei und sich Zeit nehmen solle, um sich zu erholen.
Tellie nahm sich fest vor, möglichst nicht an J.B. zu denken. Zu tief saßen die Kränkungen – nicht nur wegen der Dinge, die er zu ihr gesagt hatte, sondern auch wegen der Art und Weise, wie er mit ihr und ihren Gefühlen gespielt hatte.
Marge und die Mädchen bereiteten Tellie einen freudigen Empfang und erwarteten sie schon in der Tür. Es gab herzliche Umarmungen. Nell folgte Tellie auf dem Fuß, in jeder Hand einen schweren Koffer. Heftig atmend setzte sie ihr Gepäck ab und fragte Marge: „Sind Sie sicher, dass wir es so machen wollen?“
„Ganz sicher“, antwortete die. „Sie schickt der Himmel.
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