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Diaspora

Diaspora

Titel: Diaspora Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Egan
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stellen. Der innere Kreis der Dolmetscher sprach zuerst, dann gaben die äußeren neun ihre Versionen von sich. Auch wenn die Akustik so arrangiert war, daß mehrere gleichzeitig sprechen konnten, war es eine quälend langsame Prozedur. Yatima konnte verstehen, daß eine Automatisierung des Prozesses der gesamten Kultur der Mittler widersprochen hätte, aber es wäre schön gewesen, wenn sie für Notfälle eine etwas effektivere Kommunikation aufgebaut hätten. Vielleicht war das sogar der Fall, aber nur wenn bestimmte Katastrophen eintraten.
    Während Inoshiro die vorhergesagten Auswirkungen auf die Erde beschrieb, versuchte Yatima die Stimmung des Publikums einzuschätzen. Die Gestalt der Körperlichen war natürlich durch die Anatomie eingeschränkt und wesentlich gedämpfter als die Polis-Versionen, aber hie glaubte eine wachsende Anzahl von Gesichtern zu erkennen, die Bestürzung ausdrückten. Es war kein dramatischer Stimmungsumschwung, der durch die Halle rauschte, aber hie beschloß, diese Anzeichen optimistisch zu interpretieren. Alles war besser als Panik.
    Francesca moderierte die Publikumsreaktionen. Die erste Wortmeldung kam vom Repräsentanten einer Enklave von Statischen. Er sprach einen englischen Dialekt, so daß das Interface alles direkt in Yatimas Geist übertragen konnte.
    »Ihr seid schamlos. Wir erwarten gar keine Ehre von den Simulacra der Schatten entflohener Feiglinge, aber warum gebt ihr es niemals auf, die letzten Spuren der Vitalität vom Angesicht der Erde fegen zu wollen?« Der Statische lachte humorlos. »Glaubt ihr ernsthaft, ihr könntet uns mit diesen lächerlichen Märchen einschüchtern, in denen ›Quarks‹ und ›Gamma-Strahlen‹ vom Himmel regnen, damit wir fügsam in euer geistloses virtuelles Paradies eingehen? Bildet ihr euch ein, ein paar billige, schockierende Worte könnten uns veranlassen, aus der realen Welt des Schmerzes und der Ekstase in euren Alptraum des Perfektionismus zu flüchten?« Er blickte mit einer Art faszinierter Verachtung auf sie herab. »Warum könnt ihr nicht einfach in euren Zitadellen der unendlichen Fadheit bleiben und uns in Frieden lassen? Wir Menschen sind gefallene Kreaturen, wir werden niemals auf den Bäuchen in euren Garten-Eden-Ersatz gekrochen kommen. Ich sage euch eins: Es wird immer Körper geben, es wird immer Sünde geben, es wird immer Träume und Wahnsinn geben, Krieg und Hunger, Folter und Sklaverei.«
    Selbst mit Hilfe heines Sprachenmoduls ergab das alles für Yatima wenig Sinn, und die Übersetzung in Neu-Romanisch war ähnlich unklar. Hie konsultierte die Bibliothek. Die Hälfte der Rede schien aus Anspielungen auf eine aggressive Familie palästinensischer theistischer Replikatoren zu bestehen.
    Hie flüsterte Francesca bestürzt zu: »Ich dachte, Religionen seien längst überwunden, sogar unter den Statischen.«
    »Gott ist tot, aber die Platitüden haben überlebt.« Yatima konnte sich nicht dazu durchringen zu fragen, ob auch Folter und Sklaverei überlebt hatten, doch Francesca schien heine Gedanken zu erraten und fügte hinzu: »Einschließlich einer Menge verworrener Rhetorik zum Thema freier Wille. Die meisten Statischen sind nicht gewalttätig, aber sie betrachten die Möglichkeit zu Greueltaten als Bedingung der Tugend – was Philosophen als ›Uhrwerk Orange -Fehlschluß‹ bezeichnen. In ihren Augen sind die Poleis also eine amoralische Hölle, die lediglich als Eden maskiert ist.«
    Inoshiro bemühte sich um eine Antwort auf englisch. »Wir wollen euch keineswegs auffordern, in die Poleis zu kommen, wenn ihr es nicht möchtet. Und wir lügen auch nicht, um euch zu erschrecken. Wir möchten nur, daß ihr auf alles vorbereitet seid.«
    Der Statische lächelte gelassen. »Wir sind stets vorbereitet. Dies ist unsere Welt, nicht eure. Wir kennen ihre Gefahren.«
    Als Inoshiro ernsthaft über Unterkünfte, frisches Wasser und Nahrungsversorgung zu reden begann, unterbrach der Statische hie mit einem lauten Lachen. »Die größte Beleidigung besteht darin, als Zeitpunkt ausgerechnet die Jahrtausendwende zu wählen. Ein Aberglaube für dumme Kinder.«
    Inoshiro war verwirrt. »Aber bis dahin sind es noch viele Gigatau!«
    »Nah genug, um euren Plan durchschaubar werden zu lassen.« Der Statische verbeugte sich spöttisch, und sein Bild erlosch.
    Yatima starrte auf den leeren Bildschirm. Es fiel hie schwer zu akzeptieren, was das bedeutete. Hie fragte Francesca: »Haben auch andere in seiner Enklave gehört, was Inoshiro

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