Diaspora
sagte, daß sie in ein paar Stunden wiederkommen würde. Yatima hätte beinahe protestiert, doch dann erinnerte hie sich, daß Orlando einmal gesagt hatte, es würde Tage dauern, alle Mittler zu versammeln. Eine planetenweite Konferenz innerhalb einer Stunde zu organisieren – um die Behauptungen zweier selbsternannter und möglicherweise unglaubwürdiger Konishi-Repräsentanten über eine Gefahr für sämtliches Leben auf der Erde zu diskutieren – mußte demnach eine schwierige diplomatische Aufgabe darstellen.
Sie setzten sich an eine der Längsseiten des Tisches. Ihre Wachen blieben stehen, und die Stille wurde drückend. Diese Leute hatten das gesamte Gespräch über Lacerta mitgehört, aber Yatima war sich nicht sicher, wie sie die Informationen aufgenommen hatten.
Nach einiger Zeit fragte der Mann nervös: »Ihr habt von Strahlung aus dem Weltraum gesprochen. Ist das der Anfang eines Krieges?«
»Nein«, erwiderte Inoshiro mit Nachdruck. »Es ist ein natürlicher Prozeß. Die Erde hat ihn vermutlich schon einmal erlebt – vor vielen hundert Millionen Jahren. Vielleicht schon häufiger.« Yatima verzichtete darauf hinzuzufügen: Allerdings war es noch nie so nah und so intensiv.
»Aber die Sterne stürzen doch schneller aufeinander zu, als der Fall sein dürfte. Woher wollt ihr also wissen, daß sie nicht als Waffe benutzt werden?«
»Sie stürzen schneller aufeinander zu, als die Astronomen für möglich gehalten haben. Also haben sich die Astronomen geirrt, weil sie die physikalischen Vorgänge nicht richtig verstanden haben. Das ist alles.«
Der Mann schien nicht überzeugt zu sein. Yatima versuchte sich eine außerirdische Spezies vorzustellen, deren Moral primitiv genug geblieben war, um gleichzeitig die Bereitschaft zur Kriegführung und die Fähigkeit zur Manipulation von Neutronensternen entwickeln zu können. Diese Vorstellung war sehr unangenehm, aber in etwa so wahrscheinlich wie ein Grippevirus, das die Wasserstoffbombe erfand.
Die drei Mittler unterhielten sich leise, aber der Mann legte seine Erregung nicht ab. Yatima sagte beruhigend: »Was immer geschieht, ihr seid jederzeit in Konishi willkommen. Jeder, der zu uns kommen möchte, kann es tun.«
Der Mann lachte, als würde er nicht daran glauben.
Yatima hob die rechte Hand und streckte den Zeigefinger aus. »Nein, es ist wahr. Wir haben ausreichend Introdus-Nanoware mitgebracht …«
Inoshiro schickte hie Warnetiketten, noch bevor sich der Gesichtsausdruck des Mannes veränderte. Er stürmte vor, packte Yatimas Handgelenk und schlug heinen Arm auf den Tisch. »Jemand soll ein Schweißgerät holen!« schrie er. »Holt ein Schneidwerkzeug!« Eine der Wachen verließ den Raum, die andere näherte sich vorsichtig.
Inoshiro sagte ruhig: »Wir würden es bei niemandem ohne Einwilligung tun. Wir haben uns nur darauf vorbereitet, euch die Migration zu ermöglichen, falls die Dinge sich zum Schlechten entwickeln.«
Der Mann hob drohend eine zur Faust geballte Hand. »Du hältst dich zurück!« Schweiß tropfte ihm vom Gesicht. Yatima leistete keinen Widerstand, aber die Haut des Gleisners meldete, daß der Mann große Kraft einsetzte, als würde er mit einem monströsen Gegner ringen.
Er sprach zu Yatima, ohne Inoshiro aus den Augen zu lassen. »Was wird wirklich geschehen? Sag es mir! Werden die Gleisner ihre Bomben in den Weltraum schicken, damit ihr auch noch die letzten von uns in eure Maschinen treiben könnt?«
»Die Gleisner haben keine Bomben. Und sie haben viel mehr Respekt vor euch als vor uns. Sie sind überhaupt nicht daran interessiert, die Körperlichen in die Poleis zu zwingen.« Sie hatten bereits mit seltsamen Mißverständnissen zu tun gehabt, aber noch nie zuvor mit einem solchen Ausmaß an Verfolgungswahn.
Die Frau kehrte zurück und brachte eine kleine Maschine mit, aus der ein Metallstab herausragte, der am Ende zu einem Halbkreis gekrümmt war. Sie berührte eine Schaltung, worauf ein Bogen aus blauem Plasma erschien, der die Enden des Stabes verband. Yatima wies die Introdus-Nanoware an, sich durch die Leitungen des Reparatursystems in heinem Arm in Richtung Torso zurückzuziehen. Der Mann übte mehr Druck als je zuvor aus, und die Frau näherte sich und zerschnitt den Arm hoch über dem Ellbogen.
Yatima verschwendete nicht die Energie der Nanoware damit, sie mit ständigen Anfragen zu bedrängen. Hie wartete einfach ab, bis diese merkwürdige Erfahrung vorbei war. Das Interface wußte nicht, was es mit den
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