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Diaspora

Diaspora

Titel: Diaspora Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Egan
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Gluonen und W-Z-Bosonen an den Öffnungen der Vakuum-Wurmlöcher beteiligt waren. Außerdem spielten die sechs eingerollten Dimensionen, die für Gravitonen unzugänglich waren, eine entscheidende Rolle. Der Spin war ein Maß für das Vorhandensein einer bestimmten extradimensionalen Verdrehung in der Öffnung des Wurmlochs; jede halbe Verdrehung führte zu einer halben Spin-Einheit. Fermionen, also Teilchen wie Elektronen mit einer ungeraden Anzahl von halben Verdrehungen, bestanden aus Wurmlöchern, die sich zu Schleifen verdrehen konnten. Wenn ein Elektron um 360 Grad rotierte, gewann oder verlor das Wurmloch eine bestimmte Verdrehung, und zwar mit meßbaren Konsequenzen. Bei Photonen und anderen Bosonen war das Wurmloch einmal gänzlich verdreht, doch sie wurden durch eine 360-Grad-Rotation nicht verändert, weil die Windungen in ihren Wurmlöchern sich gegenseitig aufhoben. Ein einzelnes Boson konnte ›selbstverbunden‹ sein, die einzige Öffnung in ein Wurmloch, dessen Krümmung es in sich selbst zurückführte – oder eine beliebige Anzahl von identischen Bosonen konnte ein Wurmloch gemeinsam haben. Fermionen waren immer in geraden Anzahlen verbunden, im einfachsten Fall befand sich ein Teilchen an einem Ende des Wurmlochs und das Antiteilchen am anderen.
    Während der extremen Raumzeit-Krümmung des frühen Universums waren zahllose Vakuum-Wurmlöcher ›aus dem Gewebe verdrängt‹ worden, um eine greifbarere Existenzform anzunehmen. Die meisten hatten Teilchen-Antiteilchen-Paare wie zum Beispiel Elektronen und Positronen gebildet, doch in selteneren Fällen waren nicht so symmetrische Kombinationen entstanden, zum Beispiel ein Elektron an einem Ende des Wurmlochs und am anderen eine dreifache Verzweigung, welche in einer Dreiergruppe von Quarks endete, die ein Proton ergaben.
    Das war der Ursprung aller Materie. Durch puren Zufall hatte das Vakuum ein wenig mehr Elektron-Proton-Wurmlöcher abgestoßen als ihre Antimaterie-Entsprechung von Positronen und Antiprotonen, bevor es sich so weit ausgedehnt und abgekühlt hatte, daß die Teilchenproduktion aufhörte. Ohne diesen winzigen Überschuß hätte sich jedes Elektron und Proton mit passenden Antiteilchen vernichtet. In diesem Fall gäbe es im Universum nichts außer eine Mikrowellen-Hintergrundstrahlung, die durch den leeren Raum wogte.
    Kozuch selbst hatte 2059 darauf hingewiesen, daß diese Version der Urknall-Kosmologie, wenn sie korrekt war, bedeutete, daß jedes überlebende Elektron mit einem irgendwo existierenden Proton verbunden war. Brandneue Wurmlöcher mit bekannten Endpunkten ließen sich gezielt herstellen, indem man einfach neue Paare von Elektronen und Positronen entstehen ließ, doch der interstellare Raum war bereits kreuz und quer von existierenden Wurmlöchern durchzogen. Nachdem die Teilchen zwanzig Milliarden Jahre lang durch ein sich ausdehnendes und entwickelndes Universum getrieben waren, mußten sich viele von ihnen, die Seite an Seite aus dem Vakuum gerissen worden waren, inzwischen Tausende von Lichtjahren voneinander entfernt haben. Es war durchaus möglich, daß jedes Sandkorn, jeder Tropfen Wasser der Erde Tore zu allen hundert Milliarden Sternen in dieser Galaxis enthielt – und manche mochten noch viel weiter reichen.
    Das Problem war nur, daß sich nichts, was im Universum existierte, durch das Wurmloch eines Elementarteilchens bewegen konnte. Alle bekannten Teilchen besaßen eine bestimmte Quanteneinheit an Oberfläche, und die Wahrscheinlichkeit, daß eines durch das Wurmloch eines anderen Teilchen ging, betrug exakt null.
    Dieses Problem war jedoch nicht unüberwindlich. Wenn ein Elektron und Positron kollidierten, verschmolzen die Öffnungen ihrer Wurmlöcher miteinander, worauf beide verschwanden. In diesem Fall wurden zwei Gamma-Photonen erzeugt, doch wenn man die Wurmlöcher so verbinden konnte, daß nicht das Elektron- und Positron-Ende verschmolzen, sondern das Elektron-Ende mit dem anderen Elektron-Ende, war die Energie, die normalerweise in Form von Gammastrahlung verlorenging, darin gefangen und würde das neue, verbundene Wurmloch erweitern.
    Um diese Verbindung zu erreichen, war eine recht bescheidene Energiemenge nötig: zwei Gigajoule – die ausreichten, um einen sechs Tonnen schweren Block aus Eis zum Schmelzen zu bringen. Doch diese Energie mußte auf ein Volumen konzentriert werden, das um soviel kleiner wie der Eisblock war, wie ein Atom kleiner als das beobachtbare Universum war. Wurmlöcher, die

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