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Diaspora

Diaspora

Titel: Diaspora Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Egan
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uns zusammen beschleunigen?« fragte Gabriel. »Bis die Bestätigung kommt?« Er klang, als hätte er wegen dieser Frage leichte Schuldgefühle.
    Die Neuigkeit mußte soeben die Erde erreicht haben – daß vor sechsundfünfzig Stunden ein Positron in einem der magnetischen Speicherringe des Lifts seine Ladung verloren hatte und in die umgebende Laserfalle geflohen war. Doch es würde fast drei weitere Stunden – oder zehn Megatau – dauern, bis das entscheidende Resultat vom zweiten Ring am entgegengesetzten Ende des Beschleunigers eintraf. Gabriel hatte bis jetzt jede derartige Verzögerung Tau für Tau erduldet und die Tatsache akzeptiert, daß die Manipulation von Materie im Hundert-Terameter-Maßstab mit zäher Langsamkeit ablief, doch Blanca hatte dies nie als großartiges moralisches Prinzip betrachtet.
    »Warum nicht?« Sie hielten sich in einer kobaltblauen Schneewehe an den Händen, während sich ihre Exo-Ichs synchronisierten und verlangsamten. Der Zeitablauf der Landschaft war direkt auf Blancas Geist abgestimmt, so daß alles mit derselben Rate wie zuvor weiterzugehen schien.
    Hie beobachtete Gabriels Gesicht, während sie warteten und die Zeit um den geringfügigen Faktor von einer Million überlisteten, statt die Lücke mit einem einzigen Sprung zu überwinden. Auch wenn es keine moralische Angelegenheit war, konnte die Beziehung zur physikalischen Welt ein delikater Balanceakt sein. Solle man von einem bedeutenden Ereignis zum nächsten springen und ein Leben ohne irgend etwas anderes gestalten? Wahrscheinlich nicht – aber wieviel subjektive Zeit sollte man genau zwischen den Momenten verstreichen lassen, auf die man wirklich und verzweifelt wartete? Gabriel hatte die Zeit mit der Standardgeschwindigkeit der Koalition vergehen lassen, während er sich hauptsächlich mit komplizierten Entwürfen für den möglichen Einsatz von Wurmlöchern beschäftigt hatte, abgesehen von spärlichen Kontakten mit der Maschinerie des Lifts in der Bau- und Testphase. Doch nun hatte er kaum noch Zukunft zur Planung übrig. Nach Blancas letzten Informationen hatte er eine detaillierte Strategie für die – behutsame und nicht-exponentielle – Erkundung des gesamten Universums entworfen. Lokale Wurmlöcher führten vermutlich nirgendwohin, da sich die Öffnungen seit dem Zeitpunkt ihrer Bildung nur über eine bestimmte Entfernung bewegt haben konnten, doch das geschlossene, endliche Universum mußte von einem Netzwerk aus sich überlappenden Verbindungen durchzogen sein, und selbst wenn die Wurmlöcher innerhalb des Sonnensystems höchstens ein paar hundert Millionen Lichtjahre weit hinausreichten, mußte es in den Galaxien in dieser Entfernung weitere Wurmlöcher geben, die noch einmal so weit reichten.
    Gabriels Ausdruck gemäßigter Konzentration wich dem der Zufriedenheit, obgleich es nichts so Dramatisches wie Erleichterung war. »Vom zweiten Ring ist die Bestätigung gekommen. Wir haben beide Enden im Griff.«
    Blanca vollführte eine Armbewegung und strich eine Wolke aus blauen Kristallen von seinem Fell. »Herzlichen Glückwunsch.« Wenn das zweite neutralisierte Positron in den Weltraum entflohen wäre, hätte keine Möglichkeit bestanden, es wiederzufinden. Mit etwas Glück konnten sie demnächst bestätigen, daß Photonen durch das Wurmloch geschickt werden konnten, doch wenn die eine Öffnung damit bombardiert wurde, konnte die zweite bestenfalls ein schwaches Rinnsal produzieren.
    »Ich frage mich«, überlegte Gabriel, »ob es zu einem Mißerfolg hätte kommen können. Ich meine … wir haben ein paar Fehler in der Planung gemacht, die wir erst Jahrhunderte später entdeckten. Und wir sind auf diese chaotischen Zustände der Elektronenstrahlen gestoßen, bei denen die Simulation zusammenbrach, so daß wir den gesamten Zustandsraum empirisch bestimmen und uns durch Versuch und Irrtum einen Weg hindurch bahnen mußten. Wir haben hunderttausend Kleinigkeiten falsch gemacht, unsere Zeit vergeudet und überflüssige Probleme geschaffen. Aber hätte es in einem totalen Mißerfolg enden können, ohne Hoffnung auf einen neuen Ansatz?«
    »Ist diese Frage nicht ein wenig verfrüht?« Blanca neigte skeptisch den Kopf. »Wenn es kein falscher Alarm ist, habt ihr gerade die zwei Enden des Lifts miteinander verbunden. Das ist ein Anfang, aber ihr steht noch nicht an der Mündung des Tunnels zum Prokyon.«
    Gabriel lächelte gelassen. »Wir haben das Grundprinzip bewiesen, alles weitere ist nur eine Frage der

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